Bielefeld (epd). Im Fall des früheren Assistenzarztes, der Patientinnen im Evangelischen Klinikum Bethel betäubt und vergewaltigt haben soll, hat die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen einen Chefarzt, einen früheren Oberarzt und einen Pflegedienstleiter erhoben. Den Angeschuldigten wird „fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen“ zum Nachteil von bis zu zwölf Patienten vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Duisburg mitteilte. Das Verfahren gegen den Geschäftsführer des Klinikums sei mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, hieß es.
Die Anklage wirft den Angeschuldigten vor, ab September 2019 deutliche Hinweise darauf gehabt zu haben, dass der verstorbene Assistenzarzt ohne medizinische Indikation bei den Patientinnen Zugänge legte und ihnen sedierende Medikamente verabreichte. Nach der Sorgfaltspflicht hätten diese Auffälligkeiten in der Arbeitsweise und Person des Assistenzarztes zusammentragen und bewertet werden müssen, erklärte die Staatsanwaltschaft. Der angeschuldigte Chefarzt und der Pflegedienstleiter hätten organisatorische Maßnahmen zur verstärkten Kontrolle des Assistenzarztes veranlassen müssen.
Ein Nachweis, dass die Angeschuldigten Kenntnis von den anschließenden sexuellen Übergriffen gehabt hatten, ließ sich nach den Ermittlungen nicht führen, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens werde das Landgericht Bielefeld entscheiden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gelte die Unschuldsvermutung.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sedierte der frühere Assistenzarzt während seiner Beschäftigung am Evangelischen Klinikum Bethel insgesamt 34 Patientinnen, zum Teil mehrfach ohne medizinische Indikation mit dem Narkosemedikament Propofol. Bei einem Teil der Patientinnen lagen die Taten in einem Zeitraum, bevor die Angeschuldigten durch Hinweise hätten handeln können. Daher sei für diesen Zeitraum keine strafrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt worden.
Die Geschäftsführung des Evangelischen Klinikums Bethel habe von Beginn an mit den Behörden kooperiert und werde das auch weiterhin tun, sagte ein Bethel-Sprecher am Dienstag in Bielefeld. Er hob hervor, dass es laut dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft keinen Nachweis dafür gebe, dass die Angeschuldigten Kenntnis über die Sexualstraftaten des verstorbenen Assistenzarztes hatten. Nach wie vor gelte die Unschuldsvermutung.
Der damals 32-jährige Assistenzarzt hatte in der Untersuchungshaft offenbar Suizid begangen. Daraufhin wurde das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen ihn eingestellt. Im Jahr 2021 begann die Staatsanwaltschaft Duisburg gegen verantwortliche Mitarbeiter des Klinikums Bethel zu ermitteln. Dabei wurden mehr als 100 Zeugen vernommen, Sachverständigengutachten eingeholt und große Mengen an Daten ausgewertet.