Erfurt (epd). Unterlässt es ein Arbeitgeber, einen Inklusionsbeauftragten zu bestellen, kann das ein Indiz für eine Diskriminierung schwerbehinderter Beschäftigter sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil in einem Streit über Entschädigungszahlungen entschieden. (AZ: 8 AZR 276/24)
Das Fehlen eines Integrationsbeauftragten an sich ist demnach für eine mögliche Entschädigung wegen Diskriminierung jedoch nicht relevant, betonte das Gericht. Entscheidend sei, dass der betroffene Beschäftigte belegen kann, dass der fehlende Inklusionsbeauftragte tatsächlich zu einer Benachteiligung wegen der Behinderung geführt hat.
Die schwerbehinderte Klägerin arbeitet seit dem 1. Juli 2001 in einem Unternehmen als Packerin in Teilzeit. Seit mehreren Jahren liegt sie mit der Arbeitgeberin im Streit darüber, welche Tätigkeiten sie trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigungen in Dauernachtschicht oder auch in Wechselschicht erledigen kann.
Als die Arbeitgeberin im Mai 2021 den Betrieb auf ein 3-Schichtsystem umstellte, konnte die Klägerin bis Mitte September 2022 nicht mehr wie vereinbart arbeiten. Es fielen 180 Minusstunden an. Es folgten zudem zwei Abmahnungen, weil sich die Frau geweigert hatte, einen Lkw abzuladen und eine Kollegin abzulösen. Dann wurden mehrere Kündigungen, ausgesprochen, über die noch nicht entschieden wurde.
Die Klägerin warf der Arbeitgeberin vor, sie wegen ihrer Schwerbehinderung zu benachteiligen. Sie rügte unter anderem, dass ihre Abmahnungen ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt seien. Auch die unterlassene Bestellung eines gesetzlich vorgeschriebenen Inklusionsbeauftragten stelle ein Indiz für eine Diskriminierung dar, argumentierte die Frau. Sie verlangte vom Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg wies die Klage ab.
Das BAG verwies den Fall nun an das LAG zurück. Ob die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde, sei offen. Allerdings könne die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei den Abmahnungen sowie die unterlassene Bestellung eines Inklusionsbeauftragten ein Indiz für eine Benachteiligung behinderter Menschen sein. Voraussetzung hierfür sei, dass durch „die Abmahnungen spezifische Belange der Klägerin als schwerbehinderter Mensch betroffen sind“.
Das wäre etwa der Fall, wenn die Abmahnungen nur erfolgt seien, weil die Klägerin sich weigerte, nicht behinderungsgerechte Tätigkeiten ausüben zu wollen. Ein Inklusionsbeauftragter, der als Ansprechpartner für schwerbehinderte Menschen, Betriebsräte oder auch Behörden fungiert, hätte die Benachteiligung durch Einflussnahme auf die Arbeitgeberin verhindern können.