Düsseldorf (epd). Ein Jahr nach dem terroristischen Anschlag auf das Stadtfest in Solingen mit drei Toten ist die Verunsicherung in der Bevölkerung noch groß: Einer Studie zufolge fühlt sich bis heute jeder dritte Stadtbewohner nicht sicher, in den ersten Monaten nach der Tat sagten das sogar rund 60 Prozent. 55 Prozent der Solinger haben laut der am Freitag in Köln veröffentlichten WDR-Umfrage wenig oder kein Vertrauen in Politik, Behörden und Polizei. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dem Sender, die Landesregierung wolle Vertrauen zurückgewinnen und das Maximale für die Sicherheit tun, was ein Rechtsstaat tun könne.
Der islamistisch motivierte Anschlag, bei dem drei Menschen getötet und acht durch Stiche verletzt wurden, veränderte der Umfrage zufolge für einen Teil der Solinger Bevölkerung den Blick auf die Migrationspolitik. Drei Viertel (73 Prozent) gaben an, dass die Tat ihre Haltung zur Flüchtlingszuwanderung nicht verändert habe, entweder weil sie bereits zuvor kritisch positioniert waren (31 Prozent) oder weil sie an ihrer positiven Haltung zur Zuwanderung weiter festhalten (42 Prozent). Knapp jeder Vierte (23 Prozent) entwickelte seit dem Messerangriff eine kritischere Haltung zur Flüchtlingsaufnahme.
Zugleich bewerten die Menschen in Solingen das Miteinander von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in der Stadt eher positiv, in der nach offiziellen Angaben Menschen aus 142 Nationen leben. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) sieht das Miteinander als gut oder sehr gut an. Für die repräsentative Studie wurden vom 30. Juli bis zum 11. August 1.001 deutschsprachige Solinger ab 18 Jahren telefonisch befragt.
Wüst erklärte am Freitag in Düsseldorf, mit dem Anschlag auf das Stadtfest in Solingen habe der mutmaßliche Täter Issa al H. einen Keil in die Gesellschaft treiben wollen. „Doch unser Land lässt sich nicht spalten“, sagte der CDU-Politiker. Hass, Hetze und Terror würden keinen Sieg erringen: „Nordrhein-Westfalen ist stark durch Zusammenhalt und Menschlichkeit.“
Wüst hob die politischen Entscheidungen nach dem Anschlag hervor. Die Landesregierung habe „das umfassendste Maßnahmenpaket in der Geschichte unseres Landes in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention auf den Weg gebracht“, erklärte er. Zentrale Bestandteile seien mehr Personal für Verwaltungsgerichte und die Zentralen Ausländerbehörden, eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes und der Ausbau der Polizeipräsenz im digitalen Raum sowie ein Ausbau der Extremismus-Prävention.
Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur erklärte, auch ein Jahr nach dem Terroranschlag seien die Wunden, die er gerissen habe, noch nicht verheilt: „In Trauer und Mitgefühl stehen wir gerade jetzt an der Seite derer, die Angehörige und Freunde verloren haben oder an Körper und Seele verletzt wurden.“
Am Samstag wird mit einer Veranstaltung auf dem Fronhof in der Solinger Innenstadt, dem damaligen Tatort, der Opfer gedacht, bei der Wüst und der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) sprechen werden. Bei dem islamistisch motivierten Messerangriff am 23. August 2024 hatte der Attentäter auf Besucher des Festes zum 650-jährigen Bestehen der Stadt eingestochen. Eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren wurden getötet. Gegen den Tatverdächtigen Issa al H., der als Asylbewerber nach Deutschland kam, läuft derzeit der Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, für September wird das Urteil erwartet.