Debatte um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Debatte um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Das Institut der deutschen Wirtschaft fordert, die Kosten von Unternehmen für erkrankte Beschäftigte zu reduzieren. Die Hans-Böckler-Stiftung widerspricht und argumentiert, die Belastung der Unternehmen durch die Lohnfortzahlung sei unverändert.

Köln (epd). Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat die bisherige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall infrage gestellt. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hingegen sieht darin einen Versuch, die Unternehmensprofite auf Kosten der Gesellschaft zu erhöhen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert die IW-Forderung als „Misstrauenserklärung“ an die Beschäftigten.

Der Autor der entsprechenden IW-Studie, der Ökonom Jochen Pimpertz, begründete am Donnerstag in Köln die Forderung nach Reduzierung der Kosten von Unternehmen für erkrankte Beschäftigte damit, dass die Arbeitgeber im vergangenen Jahr geschätzt rund 82 Milliarden Euro für kranke Beschäftigte aufgebracht hätten. Für die Entgeltfortzahlung seien laut Bundesarbeitsministerium für erkrankte Arbeitnehmer 69,1 Milliarden gezahlt worden, rechnete das IW vor. Hinzu kämen die Anteile am Sozialversicherungsbeitrag, die Unternehmen zusätzlich zum Bruttogehalt zahlen und die nur geschätzt werden könnten. Die Summe der Entgeltfortzahlungen habe sich damit seit 2010 mehr als verdoppelt.

Als Gründe für die Kostenzunahme nennt die Studie neben einem höheren Krankenstand, dass die Zahl der Erwerbstätigen und die Löhne gestiegen seien: „Selbst wenn der Krankenstand über die Jahre unverändert geblieben wäre, hätten Unternehmen mehr Geld für ihre erkrankten Mitarbeiter zahlen müssen.“

Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, widersprach der Darstellung des IW. Das Institut vergleiche absolute Eurobeträge, kritisierte Dullien, dies sei irreführend. Wenn mehr Menschen arbeiteten, gebe es schon deshalb mehr Krankheitstage. „Als Folge sind die Löhne und damit auch die Lohnzahlungen an Krankheitstagen gestiegen, ohne dass dies real eine höhere Belastung für die Unternehmen darstellt“, sagte er.

Die Ausgaben für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Verhältnis zu den Bruttolöhnen insgesamt lagen Dulliens Angaben zufolge 2024 bei 4,2 Prozent. Seit 2013 habe es hier „praktisch keinen Anstieg mehr gegeben“, erklärte er. Sein Eindruck sei, dass hier eine Stimmung über vermeintlich hohe Sozialabgaben genutzt werde, um von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern umzuverteilen.

Das IW brachte die Idee von Karenztagen ins Spiel, bei denen die Gehaltszahlung für mehrere Tage ausgesetzt oder das Gehalt für einen bestimmten Zeitraum auf niedrigerem Niveau weitergezahlt wird. Ein anderes Konzept sehe vor, die Entgeltfortzahlung für erkrankte Arbeitnehmer auf sechs Wochen im Jahr zu begrenzen.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte, das IW unterstelle Beschäftigten in Gänze, blau zu machen. Als Folge von Corona, Inflation und gestiegener Mieten hätten viele von ihnen keine finanziellen Reserven mehr. „Ein Karenztag schlägt da mit fünf Prozent weniger Lohn richtig ins Kontor“, sagte sie.

Die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, erklärte hingegen, die Wirtschaft kranke „auch am hohen Krankenstand der Beschäftigten“. Unnötige Ausgaben seien zu vermeiden, hier dürfe es keine Denkverbote geben.

Wenn Beschäftigte erkranken, muss der Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen das Gehalt weiterzahlen, bei einer anderen Diagnose beginnt diese Frist erneut. Dauert ein Ausfall länger, zahlt die gesetzliche Krankenkasse im Anschluss das Krankengeld. Ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer hat bis zum Ende der 72. Woche Anspruch auf 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoentgelts.