Berlin (epd). Die Bundesregierung wird bis auf Weiteres keine Rüstungsgüter mehr an Israel liefern, die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen können. Das vom israelischen Kabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen lasse aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen, wie die Freilassung der Geiseln und Verhandlungen über einen Waffenstillstand erreicht werden sollen, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Freitag in Berlin zur Begründung. Für die Entscheidung erntet die Regierung viel Zuspruch - aber auch Kritik.
Das israelische Sicherheitskabinett hat einer Ausweitung des Militäreinsatzes zugestimmt, wie das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu am Freitagmorgen mitteilte. Demnach plant die Armee, Gaza-Stadt einzunehmen, um unter anderem die Hamas zu entwaffnen und die Kontrolle über den Gaza-Streifen zu sichern.
Merz äußerte sich „zutiefst besorgt“ über das fortdauernde Leid der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen. Mit der geplanten Offensive trage die israelische Regierung noch stärker als bisher Verantwortung für deren Versorgung. Der Bundeskanzler forderte Israel auf, „einen umfassenden Zugang für Hilfslieferungen zu ermöglichen, auch für UN-Organisationen und andere nicht-staatliche Institutionen“.
Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) nannte den Stopp der Waffenlieferungen „eine richtige Entscheidung“. Das humanitäre Leid in Gaza, für das die israelische Regierung eine große Verantwortung trage, sei unerträglich. Der SPD-Chef betonte, dass keine weiteren Fakten geschaffen werden dürfen, die einer Zwei-Staaten-Lösung entgegenstehen, weder in Gaza noch im Westjordanland. „Dem Staat Israel gilt unsere volle Solidarität, aber Falsches muss benannt werden“, sagte Klingbeil.
Kritik kam vom Zentralrat der Juden und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Zentralratspräsident Josef Schuster sprach von einer „enttäuschenden“ Entscheidung, die allen Solidaritätsbekundungen des Kanzlers widerspreche. Die DIG bezeichnete den Schritt als „Punktgewinn der Hamas im globalen Propagandakrieg“.
Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion, Lea Reisner, bezeichnete die Entscheidung hingegen als einen „überfälligen Schritt“ und forderte weitere Maßnahmen, unter anderem die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens und die Anerkennung Palästinas.
Auch Amnesty International forderte eine Aussetzung des EU-Abkommens sowie einen ungehinderten Zugang von humanitärer Hilfe über Land. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) verlangte darüber hinaus ein vollständiges Ende aller Waffenexporte nach Israel, statt nur eines Moratoriums für neue Lieferungen.
Israel hatte die Kontrolle über den Gaza-Streifen bereits im Sechs-Tage-Krieg 1967 übernommen. 2005 zog sich das Land vollständig aus dem 365 Quadratkilometer großen Gebiet zurück. Die Hamas gewann 2006 die Wahlen im Gaza-Streifen mit absoluter Mehrheit und übernahm die Macht 2007 gegen den Widerstand der Fatah, die im Westjordanland regiert. Der durch das antisemitische Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöste Krieg hat im Gaza-Streifen zu einer humanitären Katastrophe geführt, auch weil Israel immer wieder Hilfslieferungen blockiert. Die Hamas hält noch immer rund 50 Geiseln im Gaza-Streifen fest, etwa 20 von ihnen sollen noch leben.