Braunschweig (epd). Die Architektin Elisabeth Endres fordert mehr Geld für den Hitzeschutz in Städten und ein radikales Umdenken in der Stadtplanung. „Wir haben mehr Hitzetote als Kältetote, doch unser Fokus liegt weiterhin auf dem Winter, auf Dämmung und Energieeffizienz - und das, obwohl wir da bereits ein hohes Level erreicht haben“, kritisierte Endres im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Endres ist Professorin am Institut für Bauklimatik der Technischen Universität Braunschweig sowie Kuratorin des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig.
Auf der Biennale, die noch bis zum 23. November in Venedig läuft, können Besucher im Deutschen Pavillon in einem „Stressraum“ die drohende Überhitzung der Städte physisch wie psychisch am eigenen Leib erleben. In einem „Destress-Raum“ erfahren sie, wie sich extreme Temperaturen besser ertragen lassen. „Hier wachsen acht Meter hohe Hainbuchen, es ist schattig, geöffnete Fenster lassen die Luft und einen leichten Windzug herein“, sagte Endres.
Der Wissenschaftlerin zufolge geht es beim Hitzeschutz in urbanen Räumen um vier Prinzipien: Verschattung, Verdunstung, Durchlüftung, Reflexion. Helle Flächen seien dunklen vorzuziehen, sagte Endres. Denn Asphalt oder dunkler Beton speicherten Hitze, das Mikroklima heize sich auf. „In der von Hitze besonders betroffenen Stadt Los Angeles wurden deshalb schon aus lauter Verzweiflung die Straßen weiß gestrichen.“
Für mehr Schatten müssten Bäume gepflanzt werden, riet Endres. Auf diese Weise werde zudem die Boden-Versiegelung aufgebrochen. „Auf Hitzeperioden folgt oft Starkregen, der dann besser versickern kann.“
Wasser spielt der Architektin zufolge in der Stadt der Zukunft eine wichtige Rolle, weil es für angenehme Verdunstungskühle sorge. Vorsicht sei indes bei Sprühnebel und Tröpfchenbewässerung von Fassadenbegrünungen angebracht. „Zum einen ergibt sich je nach Planung ein sehr hoher Technikaufwand, und zum anderen muss die Hygiene für die Atemluft gewährleistet sein.“
Damit urbane Quartiere nachts abkühlen, seien zudem unbebaute Flächen wichtig. Diese kühlten schneller ab als Beton, Glasfassaden und Asphalt. „Durch Luftschneisen kann kühle Luft im Idealfall bis in die Innenstadt strömen und die Warmluft dort verdrängen“, sagte Endres. Ein anschauliches Beispiel sei das Tempelhofer Feld in Berlin.
Privatleuten rät Endres, ihre Wohnungen gegen Sonnenlicht mit Rollläden, Jalousien oder Klappläden zu schützen. Die Wohnungen und Häuser der Zukunft, so ihre Prognose, werden weniger Glasflächen als heute und kleinere Fenster haben. Das gelte insbesondere für die Ausrichtungen Ost und West. „Denn da dringt die flachstehende Sonne lange und mit hoher Leistung in die Räume ein.“