Berlin (epd). Die Diakonie Katastrophenhilfe warnt vor einer zunehmenden Normalisierung von Völkerrechtsverstößen weltweit. Als Beispiele nannte die Präsidentin der evangelischen Hilfsorganisation, Dagmar Pruin, am Donnerstag die nächtlichen Angriffe Russlands auf zivile Einrichtungen in der Ukraine sowie die Abriegelung von Geflüchtetenlagern durch paramilitärische Milizen im sudanesischen Darfur. „Das Recht des Stärkeren darf sich nicht durchsetzen, die Weltgemeinschaft muss die Stärke des Rechts wahren“, forderte sie bei der Vorstellung des Jahresberichts der Diakonie Katastrophenhilfe in Berlin.
Auch die Helferinnen und Helfer bekommen Pruin zufolge die Erosion des humanitären Völkerrechts zu spüren. 2024 sei eines der tödlichsten Jahre für humanitäre Helferinnen und Helfer weltweit gewesen. Die Partnerorganisationen des Hilfswerks in Gaza hätten fünf Mitarbeitende und viele Angehörige aufgrund des Krieges verloren. „Sie sind heute kaum noch in der Lage, Menschen zu helfen“, sagte Pruin. Auch in Myanmar, in der Ukraine, in Haiti oder dem Sudan arbeiteten lokale Hilfsorganisationen unter immensen Risiken.
Pruin kritisierte zudem die im Bundeshaushalt geplante Kürzung um fast 50 Prozent für die humanitäre Hilfe für 2025. Diese wäre ein „fataler Schritt“, sagte die Präsidentin des Hilfswerks. Rund 5,2 Millionen Menschen könnten dadurch den Zugang zu lebenswichtiger Hilfe verlieren. Das entspräche in etwa der Zahl der Menschen, die allein in Haiti auf Nothilfe angewiesen sind.
Sie forderte die Bundesregierung auf, den Etat wieder auf das Niveau von 2022 anzuheben - damals stellte Deutschland rund 3,1 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe bereit. Der Bundeshaushalt für 2025 soll im September vom Bundestag beschlossen werden. Im Entwurf sind 1,1 Milliarden Euro für die humanitäre Hilfe vorgesehen.
Die Kürzungen treffen auf eine Krise im internationalen humanitären System. Infolge des Wegfalls von US-Hilfen müssen die Vereinten Nationen ihren Reaktionsplan für 2025 von 45 auf 29 Milliarden US-Dollar kürzen. Der Diakonie Katastrophenhilfe zufolge sind mehr als 300 Millionen Menschen weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen - nach UN-Daten hungern allein im Sudan 25 Millionen, in Gaza mehr als zwei Millionen Menschen.
Der Leiter des evangelischen Hilfswerks, Martin Keßler, sorgt sich im Lichte der sinkenden Gelder vor allem um die vergessenen Katastrophen wie zum Beispiel im Sudan, Jemen, Somalia oder Afghanistan. Es werde schwerer, für diese Krisen ausreichende Drittmittel zu erhalten. Für medial präsentere Krisen wie die Ukraine sei das anders.
Nicht nur die öffentlichen Mittel für die humanitäre Hilfe sinken, auch die Spendenbereitschaft lässt nach. So beliefen sich die Spendeneinnahmen für das Hilfswerk im Jahr 2024 auf 30 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahr erhielt die Diakonie Katastrophenhilfe rund 49,3 Millionen Euro Spenden. Trotz sinkender Spenden konnte die Diakonie Katastrophenhilfe 2024 mit insgesamt 79,7 Millionen Euro weltweit 89 Projekte in 37 Ländern bewilligen.