Hannover, Köln (epd). Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hat die Pläne deutscher Städte, verletzte oder traumatisierte Kinder aus dem Gaza-Streifen und Israel aufzunehmen, verteidigt und Kritik aus dem Auswärtigen Amt in Berlin zurückgewiesen. Die Initiative werde über Parteigrenzen hinweg von einem breiten Netzwerk getragen, sagte Onay am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem habe Deutschland in der Vergangenheit auch verletzte Menschen aus der Ukraine oder misshandelte Jesiden aus dem Irak aufgenommen: „Das ist ein geübtes Verfahren. Man muss es nur wollen.“
Staatsministerin Serap Güler (CDU) vom Auswärtigen Amt hatte die Idee zuvor abgelehnt. „Diese Idee ist nett für den Wahlkampf oder um damit punkten zu wollen, den Menschen selbst hilft sie aber nicht“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch). Viel wichtiger und hilfreicher sei es, Länder in der Region zur Aufnahme zu motivieren. Hier sei Deutschland bereits aktiv.
Onay betonte, Niedersachsen sei weit von Wahlen entfernt. Güler habe offenbar die Situation in Köln vor Augen, wo sie CDU-Vorsitzende ist. Er betonte, dass die Initiative in Hannover von der palästinensischen Gemeinde und dem jüdischen Landesverband ausgegangen sei. „Das Humanitäre steht im Mittelpunkt.“ Es gehe um medizinische Hilfe für Menschen, die sonst keine Hilfe hätten, weil die medizinische Infrastruktur zerstört sei. Der Oberbürgermeister appellierte erneut an die Bundesregierung, alles zu tun, um eine Aufnahme von Kindern möglich zu machen.
Eine Sprecherin von Außenminister Johann Wadephul (CDU) betonte am Mittwoch in Berlin, es sei der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, zivilgesellschaftliche Akteure bei der medizinischen Behandlung von minderjährigen Kindern aus Gaza zu unterstützen. Ob dies möglich sei, werde zurzeit geprüft.
Der Initiative Hannovers zur Aufnahme von Kindern haben sich inzwischen vier Städte angeschlossen. Düsseldorf, Bonn, Kiel und Leipzig erklärten sich ebenfalls bereit, Minderjährige aus der Kriegsregion in Obhut zu nehmen. Es gebe bereits Anfragen von weiteren Städten, sagte Onay. Hannover wolle zunächst 20 Kinder aufnehmen, es könnten aber auch mehr werden, wenn die Kapazitäten dafür zur Verfügung stünden. „Wir bereiten uns intensiv vor, so dass wir sofort handlungsfähig sind.“
Der Oberbürgermeister regte eine Kooperation mit Großbritannien an, wo eine vergleichbare Initiative bereits läuft. Die Bundesregierung könne die Hilfsorganisationen im Gaza-Streifen bitten, besonders hilfsbedürftige Kinder ausfindig zu machen, und diese dann nach Deutschland bringen. Natürlich sei es richtig, großflächig vor Ort zu helfen. „Aber das eine schließt das andere nicht aus.“