Koalition streitet über Bürgergeld für geflüchtete Ukrainer

Koalition streitet über Bürgergeld für geflüchtete Ukrainer
Kein Bürgergeld mehr für alle Geflüchteten aus der Ukraine? Kanzleramtsminister Frei hält den Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Söder für bedenkenswert, Ministerin Bas geht auf Distanz. Auch das Forschungsinstitut IAB sieht Nachteile.

Berlin (epd). Der Vorschlag zur Streichung des Bürgergelds für geflüchtete Ukrainer hat zu Diskussionen in der schwarz-roten Regierungskoalition geführt. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sprach sich am Dienstag dagegen aus, alle seit Kriegsbeginn geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in das Asylbewerberleistungsrecht zu überführen. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) verteidigte den Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).

Dem Nachrichtensender „Welt TV“ sagte Bas: „Wir sollten uns alle auf den Koalitionsvertrag konzentrieren.“ Alles andere darüber hinaus halte sie im Moment nicht für richtig, weil es am Ende die Kommunen belaste.

CSU-Chef Söder hatte sich im ZDF-Sommerinterview dafür ausgesprochen, „am besten“ auch den früher vor dem russischen Angriff aus der Ukraine geflüchteten Menschen kein Bürgergeld mehr zu zahlen. Im Koalitionsvertrag hingegen ist verabredet, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland kamen oder kommen, kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern die niedrigeren Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Doch eine gesetzliche Regelung dafür steht noch aus.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) pochte ebenfalls auf die Einhaltung des Vertrags von Union und SPD. Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte er, die Tinte unter dem Koalitionsvertrag sei noch nicht einmal trocken, da werde schon wieder eine neue Diskussion eröffnet: „Da liegt kein Segen drauf.“

Dagegen argumentierte Kanzleramtsminister Frei in den „Tagesthemen“ am Montagabend: „Wenn sie einen Koalitionsvertrag haben, dann dürfen sie natürlich jederzeit auch darüber hinausdenken.“ Man sollte darüber sprechen, was man für notwendig erachtet. Er glaube schon, dass das Bürgergeld keinen Beitrag dazu geleistet habe, „die Arbeitsmarktintegration von Ukrainern zu verbessern“.

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit kritisierte Söders Vorschlag. Wenn die Jobcenter nicht mehr für diese Ukrainerinnen und Ukrainer zuständig seien, werde die Arbeitsvermittlung sehr stark vermindert, sagte IAB-Forscher Herbert Brücker am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit einem solchen sogenannten Rechtskreiswechsel verschwänden die Beratungsstrukturen in den Jobcentern mit ihren bewährten Kontakten „über Nacht“.

Es sei auch keine Aussage darüber möglich, ob die Herausnahme aus dem Bürgergeld dazu führe, dass mehr Ukrainer arbeiteten, wie Söder behauptet. Geflüchteten Ukrainern das Bürgergeld rückwirkend zu streichen, lehnt der Fachmann ab: „Dann bricht im kommunalen System das Chaos aus. Denn dann müssten theoretisch für rund 700.000 Personen die Sozialleistungen neu berechnet werden.“

Gegen Söders Behauptung spricht auch eine Studie des ifo-Instituts. Demnach entscheiden sich ukrainische Geflüchtete eher für Aufnahmeländer mit guten Jobchancen. Für die Studie wurden über 3.300 ukrainische Geflüchtete in Europa befragt. Sozialleistungen zu kürzen, um die Flucht in bestimmte Länder unattraktiver zu machen, hat laut der Studie nur wenig Wirkung. Ein höheres Lohnniveau und ein einfacher Zugang zu passenden Arbeitsplätzen seien ein größerer Anreiz für Geflüchtete.