Düsseldorf, Berlin (epd). Im Jahr 2024 haben die Jobcenter 421 Fälle von „bandenmäßigem Leistungsmissbrauch“ beim Bürgergeld erfasst. In 209 dieser Fälle wurde eine Strafanzeige gestellt, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Zuerst hatte die „Rheinischen Post“ (Montag) darüber berichtet. Insgesamt beziehen etwa 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Leistungen des Bürgergelds.
In diesem Jahr wurden laut Bundesarbeitsministerium bis einschließlich Mai 195 Fälle von „bandenmäßigem Leistungsmissbrauch“ verzeichnet, die bisher zu 96 Strafanzeigen führten. 2023 habe die Zahl bei insgesamt 229 Fällen gelegen. 52 dieser Fälle hätten zu einer Anzeige geführt. Das Ministerium geht dabei von einer hohen Dunkelziffer aus. Vor allem Jobcenter in städtischen Ballungsgebieten seien damit konfrontiert.
Als „bandenmäßiger Leistungsmissbrauch“ werden Fälle gewertet, in denen Arbeitsverhältnisse von EU-Bürgern vorgetäuscht werden, um einen Ausschluss von Sozialleistungen wie dem Bürgergeld zu umgehen. Dabei geben sich laut der Antwort häufig Personen oder organisierte Gruppen als Arbeitgeber oder Vermieter aus, um von den Sozialleistungen zu profitieren. Betroffene Menschen müssten die Sozialleistungen dann an kriminell organisierte, oft menschenhandelsähnliche Strukturen abführen, die teilweise auch Einreise und Unterbringung unter ausbeuterischen Bedingungen organisierten.
Laut der Antwort aus dem Ministerium kommt es zudem vergleichsweise selten vor, dass zu hohe Bürgergeld-Leistungen gezahlt werden. Im vergangenen Jahr seien 6.260 Fälle von Überzahlungen registriert worden. Als Gründe werden etwa genannt, dass Bürgergeldbezieherinnen und -bezieher Einkünfte aus Renten, Versicherungsleistungen, Kapitalerträge oder Vermögen nicht ordnungsgemäß oder rechtzeitig angegeben hätten oder ein Doppelbezug vorlag. Häufiger habe es Überzahlungen wegen Einkommen aus Beschäftigungen gegeben, hier seien 69.561 Fälle erfasst worden.
Zu möglichen Änderungen beim Bürgergeld äußerte sich die Bundesregierung in der Antwort nicht. „Wie der Auftrag des Koalitionsvertrages umgesetzt werden kann, wird derzeit geprüft“, heißt es. Auch zu möglichen finanziellen Einsparungen werden keine konkreten Informationen genannt. „Die Bundesregierung hat bislang keine diesbezüglichen Berechnungen angestellt“. Im Wahlkampf hatte die CDU das Einsparen von „zweistelligen Milliardenbeträgen“ beim Bürgergeld in Aussicht gestellt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus forderte in der Debatte über das Bürgergeld „mehr Sachlichkeit statt polemischer Stimmungsmache“.
CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf die Einführung strengerer Regeln beim Bürgergeld verständigt. Im Vordergrund soll wieder die Vermittlung in einen Job stehen und nicht Weiterbildung und Qualifizierung. Wenn die Bezieherinnen und Bezieher ihren Pflichten nicht nachkommen, sollen schneller und einfacher als bisher die Leistungen gekürzt werden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will eine Reform noch in diesem Herbst.