Umfrage: Viele Schüler wollen statt Ausbildung zunächst einen Job

Umfrage: Viele Schüler wollen statt Ausbildung zunächst einen Job
Industrie und Gewerkschaften mahnen bessere Beratungsangebote an
Viele Schüler mit niedrigem Bildungsniveau wollen laut einer Studie nach der Schule direkt arbeiten. Dadurch drohe die Quote an Ungelernten weiter zu steigen, warnt die Bertelsmann Stiftung. Gewerkschaften fordern mehr Unterstützung für Jugendliche.

Gütersloh (epd). Jeder fünfte Schüler in Deutschland möchte laut einer Umfrage nach der Schule erst einmal arbeiten. Besonders junge Menschen mit niedrigem Bildungsniveau wollten nach der Schule zunächst auf eine Ausbildung verzichten und ohne formale Qualifikation arbeiten, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Veröffentlichung der Jugendbefragung „Ausbildungsperspektiven 2025“. Dadurch drohe die Quote an Ungelernten weiter zu steigen. 43 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler planen demnach eine Ausbildung, weitere 45 Prozent sind noch unentschlossen.

Lediglich ein Drittel der Befragten fühle sich gut über Perspektiven nach der Schule informiert, erklärte die Stiftung. Befragte mit niedriger Schulbildung gäben als Probleme bei der Ausbildungsplatzsuche an, dass ihnen das Schreiben einer Bewerbung schwerfalle oder sie nicht die geforderten Qualifikationen vorweisen könnten. Zwölf Prozent der Befragten mit niedriger Schulbildung glaubten nicht daran, einen Ausbildungsplatz zu finden.

Unter den Befragten mit höherer Schulbildung äußerten viele, dass es ihnen schwerfalle, sich in der Fülle an Informationen zur Berufswahl zurechtzufinden. Sie sprachen sich den Angaben zufolge für mehr Angebote zur Berufsorientierung aus, besonders in den Schulen.

Rund 40 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler wollen der Umfrage zufolge auf jeden Fall studieren. Fast ebenso viele sind unentschlossen. Von den Befragten mit höherer Schulbildung sind es 56 Prozent, die auf einen akademischen Bildungsweg setzen wollen. Bei mittlerer und niedriger Schulbildung sind es dagegen nur je ungefähr 15 Prozent.

„Sich beruflich zu qualifizieren, muss für junge Menschen attraktiver sein, als ungelernt zu arbeiten“, erklärte die Expertin der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung, Helen Renk. Ohne reguläre Ausbildung steige das Risiko, arbeitslos zu werden oder im Niedriglohnsektor zu verharren.

Es sei wichtig, gerade junge Menschen mit niedriger Schulbildung am Übergang von der Schule in den Beruf bedarfsgerecht zu unterstützen und ihnen konkrete Ausbildungsperspektiven aufzuzeigen, erklärte der Experte der Stiftung für berufliche Bildung, Clemens Wieland. Zugleich müssten auch diejenigen jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, gezielt unterstützt werden.

Im Jahr 2023 besaßen laut Berufsbildungsbericht rund 19 Prozent der 20- bis 34-Jährigen keinen Berufsabschluss, wie die Stiftung erklärte. Das seien 2,86 Millionen Menschen. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft hätten im Vorjahr bundesweit mehr als 570.000 qualifizierte Arbeitskräfte gefehlt.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte eine verpflichtende und praxisorientierte Berufsorientierung „als bundesweite Pflichtaufgabe an allen Schulen“. Gymnasien dürften nicht einseitig über das Studium, sondern müssen auch „über die sehr guten Perspektiven einer Ausbildung“ informieren, erklärte DIHK-Ausbildungsexperte Markus Kiss. Besonders junge Menschen mit niedriger Schulbildung müssten besser unterstützt und Ausbildungsperspektiven deutlicher aufgezeigt werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnte bessere Beratungsangebote sowie mehr Engagement der Betriebe an. Diese müssten mehr in die Ausbildung investieren und sich stärker für junge Menschen mit niedrigem Schulabschluss öffnen, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Nötig seien zudem „mehr und bessere Jugendberufsagenturen mit mehr individueller Beratung und Hilfe“. Schon aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels „können wir es uns nicht länger leisten, dass unser Bildungssystem seit Jahren an der Aufgabe scheitert, allen jungen Menschen einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen“.

Für die repräsentative Studie „Ausbildungsperspektiven 2025“ der Bertelsmann Stiftung wurden Anfang März bis Mitte April 1.755 junge Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren an allgemeinbildenden oder beruflichen Schulen befragt. Bei Ausbildung und Studium waren Mehrfachnennungen möglich.