Caroline Wahl: Windstärke 17
Einfach weiter Schwimmen bis zum Untergang. Diesen Gedanken hat die junge Ida, die auf Rügen strandet, ohne eine Perspektive auf das Leben.
Nach dem Tod der Mutter bleibt Ida deren Beerdigung fern. Ihre Mutter, die überhaupt nicht den Vorstellungen von Mutter-sein entsprach, fehlt ihr dennoch und so hält sie es in der leeren Wohnung nicht mehr aus, steigt in irgendeinen Zug und landet eben auf Rügen am Meer. So traurig das Buch beginnt, so stürmisch wird es seitenweise, und nur ein wenig später, von Hoffnung durchtränkt. Knut und Marianne, so heißen die Eheleute, die Ida, wie eine verletzte Möwe bei sich aufnehmen: einfach so! Und mit Mitmenschlichkeit, Herzensgüte und Aufbackbrötchen päppeln sie Ida wieder auf. Happy End? Nein, das Buch ist leider so noch nicht zu Ende, aber die Kraft der Hoffnung schwingt als Grundton auch bei den weiteren Ereignissen mit.
Ich habe das Buch an einem faulen Sonntagnachmittag in einem Rutsch gelesen und zugegeben...hin und wieder eine Träne verdrückt. Es geht um Töchter, Schwestern und Mütter (all das bin ich auch), um Schuld und Verzeihen und um Menschen, die einfach handeln, weil sie mit großem Herzen ausgestattet, schlicht nicht anders können. (Katja Eifler, Redakteurin evangelisch.de)
Bruder Paulus: Stark durch den Wandel
Das Leben wirft uns immer wieder aus der Bahn. Durch Glück. Und durch Unglück. Bruder Paulus schöpft aus uralter Weisheit und echten Begegnungen und zeigt, wie wir Krisen nicht nur überstehen, sondern daran wachsen.
Veränderung gehört zum Leben. Nicht jede ist schön. Wir können sie aber leider nicht ausschließen. Wer es schafft, den Wandel mit allem zu begrüßen, was daran lebendig ist, der kann das eigene Leben nach seinem guten Willen gestalten. Bruder Paulus erklärt uns das "Überraschungsherz" und die "Stiftung Ich". Er schreibt seinen Ratgeber dabei mit feiner Beobachtung und muss ganz sicher ein äußerst liebenswürdiger Mensch sein. Am Ende vieler Kapitel gibt er dem Leser noch eine Aufgabe oder eine Frage mit auf den Weg wie "Wer darf in dein Leben sprechen?"
Dieses Buch ist ein wertvoller Begleiter, so klug. Ich weiß, dass ich es nicht nur einmal lesen werde. Normalerweise muss Ratgeber-Literatur auf alle Leser passen und ist deswegen meist auf den größten Nenner herunter gebrochen. Bruder Paulus dagegen schreibt so intelligent und vereint Glauben mit Verständnis für die menschliche Seele. Ich möchte mir so viele Sätze merken und hoffe, dass das Wichtige ins Herz sickert. (Katrin von Bechtolsheim, Redakteurin evangelisch.de)
Benjamin Myers: "Strandgut"
Alles dreht sich um Verlust, Einsamkeit und Neuanfang. Und Hoffnung ist ein Ort, der am Meer liegt. Benjamin Myers erzählt in "Strandgut" die Geschichte von Earlon "Bucky" Bronco, einem ehemaligen Soulsänger, der nach dem Tod seiner Frau nur noch die Stunden zählt. Dann wird er, der in den USA lebt, an die ferne englische Küste eingeladen – zu einem Konzert. Er, der seit Jahrzehnten nicht mehr gesungen hat. In Scarborough trifft er Dinah. Zwei Menschen, die nichts mehr erwarten, begegnen dem Leben neu. Und der Hoffnung. Denn ein Konzert ist nicht zu Ende, bevor die Zugabe gespielt wurde.
"Strandgut" ist ein stiller, berührender Roman. Eine Geschichte vom Weitermachen, vom Sich-aneinander-Aufrichten. Von der Kraft der Musik und davon, dass es nie zu spät ist, eine helfende Hand zu ergreifen. Myers schreibt poetisch, mit leiser Kraft. Die See rauscht, der Wind trägt Erinnerungen. Auf der Wasseroberfläche glitzert ein Streifen Hoffnung. Und tief drinnen im Herzen der Lesenden auch. Wer dieses Buch aufschlägt, liest nicht nur – er fühlt. Und geht mit einem leisen, warmen Lächeln aus der letzten Seite hinaus. Beseelt habe ich die letzte Zeile gelesen – und freue mich auf alles, was das Leben an kleinen und großen Wundern bereithält. (Markus Bechtold, Portalleiter evangelisch.de)
Chukwuebuka Ibeh: Wünschen
Obiefuna ist anders. Er liebt das Tanzen - da vergisst er alles um sich herum, ist eins mit sich und der Bewegung. Im Unterschied zu seinem fußballbegeisterten Bruder entspricht er so gar nicht der Vorstellung von einem heranwachsenden Jungen. Das kann nicht lange gut gehen in seinem afrikanischen Dorf. Als sein Vater ihn bei einer Intimität mit einem anderen Jungen erwischt, schickt er ihn auf ein Internat – weit weg von seiner geliebten Mutter. Dort ist er in eine Welt geworfen, die von Strenge, Hierarchie und dem Recht des Stärkeren geprägt ist.
Obiefuna findet seinen Platz in der brutalen Ordnung und sammelt im Verborgenen seine ersten sexuellen Erfahrungen. Nach Ende der Schulzeit ist seine Seele zwar voller Narben, aber ungebrochen. Er zieht in die Stadt, studiert, findet Anschluss und einen festen Freund. Alles scheint zum Guten gewendet. Doch mit den Anti-Homosexuellen-Gesetzen, die das Parlament bald verabschiedet, kehrt das Unheil zurück. Freundschaften zerbrechen, die Zukunft erscheint ungewisser denn je.
In seinem ersten Roman "Wünschen" erzählt der nigerianische Schriftsteller Chukwuebuka Ibeh die Coming-of-Age-Geschichte eines schwulen Jungen in einem traditionalistischen, restriktiven und bedrohlichen Umfeld, wie es für die meisten afrikanischen Staaten bis heute typisch ist. Bei aller Härte besticht der Roman aber vor allem auch durch eine große Zärtlichkeit, wenn er etwa aus der Sicht der Mutter erzählt oder die intimen Momente zwischen zwei Männern beschreibt. Wie differenziert der erst 25-jährige Autor seine Charaktere mit ihren latenten Widersprüchen zeichnet, ist bemerkenswert. (Jörg Echtler, freier Redakteur bei evangelisch.de)