Santiago de Chile (epd). Die Einrichtung einer Gedenkstätte für die Opfer der ehemaligen Colonia Dignidad in Chile kommt voran. In der Hauptstadt Santiago de Chile unterzeichneten am Montagnachmittag (Ortszeit) mehrere Minister ein Dekret zur Teilenteignung des Ortskerns der früheren Siedlung. „Die Gedenkstätte ermöglicht uns zu sagen, dass solche Abscheulichkeiten nie wieder vorkommen werden“, sagte Justizminister Jaime Gajardo bei der Unterzeichnung.
Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Schritt. Ehemalige Sektenmitglieder reagierten unterschiedlich. Vertreter des Unternehmens, das aus der Colonia Dignidad hervorgegangen ist, kritisierten, dass mit der Enteignung eine wichtige Einnahmequelle für die Siedler verloren gehe. Winfried Hempel, Sprecher einer Gruppe, die sich von der Unternehmensführung distanziert, schrieb hingegen auf der Plattform X: „Chile holt sich ein Teil seines Landes zurück, das von einer Handvoll Deutscher besetzt wurde, die nur Tod, Leid und Böses gebracht haben.“
Die Colonia Dignidad, zu Deutsch „Siedlung der Würde“, wurde 1961 vom Laienprediger Paul Schäfer gegründet, der wegen sexuellen Missbrauchs aus Deutschland geflohen war. In der Siedlung waren Zwangsarbeit, Gewalt und sexueller Missbrauch Alltag. Während der chilenischen Militärdiktatur (1973-1990) diente das Gelände als geheimes Folterzentrum. Mehr als 100 Menschen wurden dort ermordet.
Nach der Flucht von Schäfer vor der chilenischen Justiz im Jahr 1996 erfolgte eine allmähliche Öffnung der Siedlung. Ein Teil der ehemaligen Sektenmitglieder lebt weiterhin auf dem Gelände, wo derzeit Landwirtschaft und Gastronomie mit bayrischem Flair betrieben werden. Auch diese Betriebe sind von der Enteignung betroffen.