Berlin (epd). „Wir brauchen kein Reförmchen, wir brauchen eine grundlegende Reform“: So hat Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) am Montag den Anspruch an die geplante Neuordnung der Pflege in Deutschland formuliert. Für die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema gebe es „keine Denkverbote“, sagte Warken nach der ersten Sitzung des Gremiums. Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) lenkte den Blick auf die Lage der pflegenden Angehörigen.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Mitwirkung der kommunalen Spitzenverbände soll laut Koalitionsvertrag vor Jahresende Vorschläge für eine „große Pflegereform“ vorlegen. „Wir brauchen schnelle Ergebnisse und konkrete Vorschläge“, sagte Warken. „Die Reform muss sitzen.“ In der ersten Sitzung seien zwei Fachgruppen mit „umfangreichen“ Arbeitsaufträgen gebildet worden.
Laut Bundesgesundheitsministerium soll sich eine Fachgruppe um die Finanzen der Pflegeversicherung kümmern und die andere um die Versorgung. Dazu sollen auch Verbände und Organisationen angehört werden.
Bei der Fachgruppe zur Finanzierung soll es unter anderem um „Anreize für eine eigenverantwortliche Vorsorge“ gehen. Auch die Einrichtung eines kapitalgedeckten Pflegevorsorgefonds soll besprochen werden, ebenso die „Aufteilung der Finanzierungsanteile“ zwischen Beiträgen, Steuern und privater Beteiligung. Weitere Themen sind Möglichkeiten, die Ausgaben der Pflegeversicherung zu begrenzen und die Einnahmeseite zu verbessern, sowie die Begrenzung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen.
Die Fachgruppe zur Versorgung soll den Leistungsumfang der Pflegeversicherung unter die Lupe nehmen. Hinzu kommen „Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation“, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verringern, und die Förderung von Innovation und Digitalisierung. Bei der Stärkung von pflegenden Angehörigen ist die Rede von einem „leicht verständlichen, unbürokratischen, wohnortnahen“ Beratungs- und Unterstützungsangebot. Nicht erwähnt wird hingegen das Konzept eines Familienpflegegelds als zeitweise Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld.
Dieses solle gleichwohl Thema sein, betonte Familienministerin Prien auf der Pressekonferenz. Sie kündigte zudem an, noch dieses Jahr eine Reform der Familienpflegezeit anzugehen. Dabei solle auch der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet werden. Prien wies darauf hin, dass 86 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause versorgt werden. Die pflegenden Angehörigen seien „die stillen Heldinnen und Helden unseres Pflegesystems“ und wünschten sich „zurecht, stärker gesehen zu werden“.
Alle Teilnehmerinnen der Pressekonferenz machten deutlich, dass nun komplizierte Verhandlungen bevorstehen. Vor der Kommission liege ein „Weg, der schwer wird“, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). „Das wird nicht einfach“, gab auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) zu.
Warken bekräftigte ihre Forderung nach zusätzlichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt, um die Finanzen der Pflegeversicherung bis zur Umsetzung der angestrebten Reform zu stabilisieren. Wenn nicht mehr Geld fließe als derzeit geplant, müssten „ab Januar“ die Beitragssätze steigen, kündigte sie an.
Der weitere Fahrplan der Reformkommission sieht eine „Sachstandssitzung“ auf Ebene der Ministerinnen und Minister im Oktober vor. Im Dezember folgt eine „Ergebnissitzung“ im selben Kreis - dann sollen die Eckpunkte für die Pflegereform vorgelegt werden. Im Januar soll der Gesetzgebungsprozess beginnen, zunächst mit Workshops und „Praxischecks“.