Studie: Mitnahmeeffekte könnten Aktivrente zu Minusgeschäft machen

Studie: Mitnahmeeffekte könnten Aktivrente zu Minusgeschäft machen
Union und SPD wollen Arbeiten in der Rente finanziell lukrativer machen. Eine DIW-Studie warnt, das könne für den Staat finanziell nach hinten losgehen - abhängig davon, wie viele und welche Senioren die Aktivrente in Anspruch nehmen.

Frankfurt a.M. (epd). Die geplante Aktivrente birgt einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge ein finanzielles Risiko für den Staat. Grund sind laut der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung zu erwartende Mitnahmeffekte von Rentnerinnen und Rentnern, die heute schon arbeiten und Steuern zahlen. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch) aus München darüber berichtet.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es zu den Plänen: „Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei.“

Die DIW-Studienautoren rechnen mit 234.000 arbeitenden Seniorinnen und Senioren, die bei einer Aktivrente bis zu einem Einkommen von 2.000 Euro monatlich keine Einkommenssteuern mehr bezahlen müssten, was nach Berechnungen der Wirtschaftsforscher für den Staat einen Verlust von 774 Millionen Euro jährlich bedeuten würde. Um diese Verluste auszugleichen, müsste die Aktivrente den Berechnungen zufolge zu mindestens 75.000 Beschäftigungen von Rentnerinnen und Rentnern zusätzlich führen.

Zwar verliere der Staat in diesem Szenario immer noch 438 Millionen an Einkommensteuer, gewönne aber 640 Millionen Euro an Sozialbeiträgen sowie 320 Millionen Euro an Unternehmens- und indirekten Steuern. Bei 150.000 zusätzlichen Arbeitskräften fielen 103 Millionen Euro an Einkommenssteuern weg, aber 1,3 Milliarden Euro an Sozialbeiträgen und 640 Millionen Euro an anderen Steuern kämen hinzu.

Wie hoch ein Beschäftigungszuwachs infolge der Aktivrente tatsächlich ausfalle, lasse sich aber nur schwer prognostizieren, führen die Autoren der Studie aus. Das hänge von vielen Faktoren ab, etwa wie stark Seniorinnen und Senioren auf finanzielle Anreize reagieren oder wie hoch die Arbeitskräftenachfrage ist. In der Forschung schwankten die Annahmen zwischen 50.000 und 300.000 zusätzlichen Beschäftigten.

Nach Verständnis der Studienautoren bleiben Selbstständige bei der Aktivrente außen vor. Es sei jedoch fraglich, ob man dieser Gruppe diese Vergünstigung vorenthalten könne, heißt es in der Studie: „Aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedeutet das eine erhebliche Ungleichbesteuerung von Einkünften, die man steuer- und wirtschaftspolitisch kaum begründen kann.“ Bezöge man die Selbstständigen ein, müsse man aber mit deutlich höheren Mitnahmeeffekten rechnen. Denn es lasse sich zwischen Arbeitseinkommen und passiven Gewinnentnahmen nur schwer unterscheiden. Die steuerlichen Verluste betrügen in diesem Fall wohl deutlich mehr als 1,5 Milliarden Euro jährlich.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der „Süddeutschen Zeitung“, die Aktivrente sei eine vollkommen neue Idee. „Alle bisherigen Studien greifen daher nur auf Annahmen zurück. Sicher ist aber, dass es ein großes Potenzial gibt.“ Von Mitnahmeeffekten will er nicht sprechen, stattdessen honoriere die Aktivrente die Leistung auch derer, die bereits heute im Rentenalter arbeiten. „2.000 Euro pro Monat steuerfrei, das ist doch ein starker Anreiz, im Rentenalter weiterzuarbeiten“, sagte er.