Berlin (epd). Der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Deutschland, Stefan Keßler, sieht den Schutz von Flüchtlingen zunehmend gefährdet. Er stelle in der offiziellen Politik Deutschlands wie auch in anderen Staaten eine zunehmende Entsolidarisierung und wachsende Erbarmungslosigkeit gegenüber Flüchtlingen fest, sagte Keßler in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Not wird immer größer, die Unterstützung für diese Menschen wird aber immer geringer.“
Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland feiert am Freitag in der Berliner St. Canisius-Kirche sein 30-jähriges Bestehen. In Deutschland engagiert sich die Organisation unter anderem in der Betreuung von Menschen in der Abschiebehaft, in der Rechtsberatung und bei der Integration von Geflüchteten.
Keßler sagte zur Agenda der neuen Bundesregierung, den Zugang für Flüchtlinge und Asylsuchende nach Deutschland einzuschränken und Abschiebungen zu erleichtern: „Die aktuelle Debatte erfüllt uns mit großer Sorge, denn die schutzbedürftigen Menschen selbst geraten immer mehr aus dem Blick.“ Es gehe jetzt anscheinend nur noch um Zahlen und Quoten: „Die dahinter stehenden einzelnen Menschen kommen kaum noch vor.“ Wenn jetzt etwa der Familiennachzug für bestimmte Flüchtlingsgruppen eingeschränkt wird, „dann geht es hier doch um den Schutz von Ehe und Familie, also um Kernwerte unserer Gesellschaft“. Dies werde über den Haufen geworfen, in der Hoffnung, ein paar Wählerstimmen mehr zu bekommen.
Keßler warnte dabei vor negativen Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft: „Mit dieser Politik und Rhetorik, die gegenwärtig gefahren wird, leiten die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien nur Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.“ Wenn die Aufnahme von Flüchtlingen immer nur als Gefahr und als Problem beschrieben werde, „dann ist das erst einmal Futter für Rechtspopulisten“.
Auch wenn einige Kommunen bei der Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen tatsächlich vor Herausforderungen stünden, gebe es keinen „Notstand“ wie von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) behauptet, sagte Keßler weiter: „Die großen Probleme liegen doch ganz woanders: die Bewältigung der Folgen des Klimawandels, eine verfehlte Wohnungsbaupolitik, wirtschaftliche Probleme - all das hat wenig mit Geflüchteten und Migranten zu tun.“ In der Debatte um die Zuwanderung würden Schutzbedürftige für die Fehler der Politik verantwortlich gemacht, kritisierte Keßler.