Straßburg, Brüssel (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Beschwerde von Migranten gegen Italien wegen einer Seenotrettung im Mittelmeer für unzulässig erklärt. Die Antragsteller warfen Italien vor, sie durch eine sogenannte Abschiebung durch Stellvertreter libyschen Behörden ausgeliefert zu haben. Der Gerichtshof sah dafür jedoch in seiner Entscheidung vom Donnerstag keinen juristischen Beleg. (AZ: 21660/18)
Das Verfahren betraf eine Rettung im November 2017, bei der ein Schlauchboot mit rund 150 Menschen von Libyen aus in Richtung Europa gestartet war. Die Koordinierung der Rettungsaktion lief zunächst über das italienische Seenotrettungszentrum in Rom. Letztlich wurde die Rettung jedoch von einem libyschen Schiff vorgenommen. Die Beschwerdeführer argumentierten, Italien habe mit Zustimmung der EU ein System etabliert, das auf eine indirekte Rückführung in libysche Haftbedingungen hinauslaufe, um menschenrechtliche Verpflichtungen zu umgehen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte einstimmig fest, dass sich der Vorfall in internationalen Gewässern nahe Libyen ereignet habe, wo Italien keine effektive Kontrolle über das Gebiet oder die Rettungsoperation ausübte. Weder die finanzielle und logistische Unterstützung Italiens für die libysche Küstenwache noch die Einleitung der Rettung durch die italienische Seenotleitstelle reichten demnach aus, um eine sogenannte extraterritoriale Zuständigkeit Italiens im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention zu begründen.
Die Straßburger Richter betonten, dass die Situation zwar durch andere völkerrechtliche Regelungen wie das Seerecht, den Flüchtlingsschutz oder die Verantwortung von Staaten bei Rettungseinsätzen erfasst werde. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit Italiens nach Artikel 1 der Menschenrechtskonvention seien jedoch nicht erfüllt gewesen.