Gütersloh (epd). Ein Viertel der Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland plant laut einer Umfrage, ihre Tätigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre aufzugeben. Viele Hausärzte wollen zudem ihre Wochenarbeitszeit bis 2030 durchschnittlich um zweieinhalb Stunden reduzieren, wie eine am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichte Umfrage der Bertelsmann Stiftung unter knapp 3.700 Hausärztinnen und -ärzten ergab. Bereits heute seien mehr als 5.000 hausärztliche Sitze unbesetzt.
Der Nachwuchs könne diese Entwicklungen nur teilweise kompensieren, erklärte die Stiftung. Denn auch der Nachwuchs arbeite kürzer. Viele selbstständige Angehörige des Berufsstandes würden zwar nicht in Rente gehen, jedoch nur in Teilzeit weiter arbeiten. Zusätzliche Herausforderungen kämen durch das im Koalitionsvertrag geplante Primärarztsystem hinzu, nach dem die Hausärzte künftig stärker als Anlaufstelle den Zugang zu Facharztpraxen koordinieren sollen.
Der Umfrage zufolge wendeten die Hausärztinnen und -ärzte rund 80 Prozent ihrer Arbeitszeit für Sprechstunden und Hausbesuche auf, hieß es. Den Rest würden sie mit Verwaltungsaufgaben, Fortbildungen oder anderen Tätigkeiten verbringen. Im Durchschnitt arbeiteten die befragten Hausärztinnen und -ärzte derzeit 44 Stunden pro Woche.
Damit Hausärzten mehr Zeit für Patienten bleibe, müssten sie in anderen Bereichen stärker entlastet werden, mahnte die Stiftung. „Um die hausärztliche Versorgung zu sichern, müssen die notwendigen Digitalisierungsmaßnahmen gelingen, unnötige Arztbesuche reduziert sowie neue Formen der fachübergreifenden Zusammenarbeit etabliert werden“, mahnte der Director Gesundheit bei der Bertelsmann Stiftung, Uwe Schwenk.
Aufgaben wie Terminmanagement, Befundaustausch, Diagnostik und Behandlungsabläufe könnten stärker digitalisiert werden, schlägt die Stiftung vor. In der Praxis laufe die Software jedoch oft bisher nicht richtig, erläuterte der Gesundheitsexperte der Stiftung, Johannes Leinert. Das müsse praxistauglich gemacht werden.
Zudem könnten nach Empfehlung der Stiftung bestimmte Aufgaben auch auf andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen übertragen werden. Als Beispiele nannte die Stiftung speziell dafür ausgebildete medizinische Fachangestellte oder Pflegekräfte.
Veränderte Abläufe, die zu weniger Verwaltungsaufgaben und kürzeren Arbeitszeiten führen, könnten dazu beitragen, Hausärzte und -ärztinnen im System zu halten, erklärte die Stiftung. „Wenn es gelingt, einen Teil der Hausärzteschaft für ein längeres Arbeiten zu gewinnen, dann kann die entstehende Zusatzlücke in den nächsten fünf Jahren etwas verringert werden“, erläuterte der Gesundheitsexperte Leinert: „Das ist ein ganz maßgeblicher Hebel, ohne den es nicht gehen wird.“
Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und der Universität Marburg hatte das Meinungsforschungsinstitut infas von November 2024 bis Februar 2025 knapp 3.700 Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland befragt.