Lingen, Gronau (epd). Mehrere Umweltverbände und Anti-Atom-Organisationen haben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aufgefordert, deutsche Atomgeschäfte mit Russland zu beenden. Sowohl Merz als auch die EU hätten als Reaktion auf die fortgesetzten Angriffe der russischen Truppen in der Ukraine auch im Energiebereich verstärkte Sanktionen angekündigt, heißt es in einer am Mittwoch von rund einem Dutzend Gruppen verbreiteten Erklärung: „Der brisante Atomsektor war davon bislang aber komplett ausgeklammert.“ Durch die ungehinderte Verarbeitung von russischem Uran in der Brennelementefabrik im emsländischen Lingen und in der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau fülle sich Putins Kriegskasse weiterhin in beträchtlichem Umfang.
Der Antrag des französischen Betreibers der Brennelementfabrik, Framatome, für ein Joint Venture mit dem russischen Atomkonzern Rosatom liege noch immer beim niedersächsischen Umweltministerium zur Begutachtung, hieß es weiter. Es sei aber davon auszugehen, dass die endgültige Entscheidung über das Vorhaben im Kanzleramt gefällt werde.
Der Gronauer Uran-Anreicherer Urenco habe nach eigenen Angaben zwar 2022 sämtliche direkte Verträge mit Russland gekündigt. Anfang 2024 sei aber bekannt geworden, dass Urenco dennoch russisches Uran anreichere, sofern dies vom jeweiligen AKW-Betreiber gewünscht werde.
Eine „nicht zu unterschätzende zusätzliche Gefahr“ sind nach Ansicht der Initiativen zudem die beiden russischen Atomschiffe „Mikhail Dudin“ und „Baltiyskiy 202“, die regelmäßig das russische Uran von St. Petersburg aus nach Westeuropa liefern. Über den Hafen Rotterdam wickele die Brennelementefabrik Lingen ihre Urangeschäfte mit Russland ab. Zurzeit seien beide russischen Atomschiffe gleichzeitig unterwegs nach Westeuropa.
„Präsident Putin kann seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine auch deshalb fortsetzen, weil er aus seinen Atomgeschäften mit Westeuropa etliche Millionen Euro überwiesen bekommt“, sagte Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL - Atomkraftgegner im Emsland. „Wer also den Kreml unter Druck setzen will, sollte nicht immer nur auf neue Waffen schauen, sondern endlich auch den Geldhahn zudrehen.“