Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hat die Ankündigung der Bundesregierung kritisiert, Asylsuchende trotz eines Gerichtsurteils weiterhin in Nachbarstaaten zurückzuweisen. „Die Schutz suchenden Menschen werden nun von Staat zu Staat bis an die EU-Außengrenzen weitergereicht und müssen so das politische Versagen Deutschlands und der EU ausbaden“, sagte Oltmer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Letztlich scheitere das Asylsystem seit Jahren immer wieder an der mangelnden Solidarität der EU-Staaten untereinander, wenn es um die Verteilung von Geflüchteten gehe.
Das Verwaltungsgericht in Berlin hatte am Montag in drei Eilverfahren die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen für rechtswidrig erklärt. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatten am Dienstag betont, sie würden dennoch an der Praxis festhalten, weil das Gericht nur über Einzelfälle entschieden habe.
Oltmer sagte, die Bundesregierung werde vermutlich auch bei weiteren zu erwartenden Urteilen ihr Vorgehen nicht ändern. Bis es zu Grundsatzentscheidungen von Oberverwaltungsgerichten oder dem Europäischen Gerichtshof komme, werde es Monate dauern. In dieser Zeit wolle die Bundesregierung offenbar die übrigen EU-Staaten durch die Praxis der Zurückweisung unter Druck setzen. Es gehe letztlich darum, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zügig umzusetzen und in Nachverhandlungen vermutlich sogar zu verschärfen.
Das GEAS sieht unter anderem vor, dass Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen entschieden und nur tatsächlich Schutzbedürftige auf die EU-Staaten verteilt werden. Es gebe allerdings weiterhin viele offene Fragen, erläuterte der Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien. Schon jetzt sei klar, dass die Kapazitäten der geplanten Asylzentren viel zu gering seien. Ein echter Verteilungsmechanismus sei bisher nicht erkennbar. Er gehe davon aus, dass die Bundesregierung zudem in Nachverhandlungen erreichen wolle, dass Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU entschieden werden.
Seit vielen Jahren sei deutlich, dass das europäische Asylsystem nicht funktioniere, betonte Oltmer. Aber um das System zu reformieren, seien politische Entscheidungen notwendig, statt fragwürdiger Erpressungsversuche auf dem Rücken von Hilfe suchenden Menschen: „Es muss doch mit befreundeten Staaten andere Möglichkeiten geben, als dass man sie zu Reaktionen dadurch zwingt, dass man Schutzsuchende an den Grenzen zurückweist.“