Berlin (epd). Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat 2024 einen erneuten Anstieg gemeldeter Diskriminierungsfälle verzeichnet. Die 11.405 Fälle seien die „höchste Zahl, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes je erreicht hat“, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts. Dies entspricht einem Anstieg von sechs Prozent gegenüber 2023 und einer Verdopplung der Fälle seit 2019.
Rassistische Diskriminierung führt die Statistik mit 43 Prozent weiterhin an, gefolgt von Benachteiligungen aufgrund von Behinderung (27 Prozent) und Geschlecht (24 Prozent). Besonders betroffen sind Frauen: Die Zahl der Fälle hat sich Ataman zufolge in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt.
Frauen erfahren Diskriminierung hauptsächlich am Arbeitsplatz oder bei der Jobsuche, sagte die Beauftragte. Junge Frauen würden bereits im Bewerbungsverfahren aussortiert, weil sie möglicherweise Kinder bekommen könnten. „Wenn Frauen schwanger werden oder aus der Elternzeit zurückkehren, wird ihre Leistung und Kompetenz infrage gestellt“, erklärte Ataman. Mit 348 gemeldeten Fällen sexueller Belästigung wurde zudem ein „Spitzenwert“ erreicht.
Ataman sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der steigenden Zahl von Diskriminierungsfällen. „Was ich beobachte und was wir in der Stelle beobachten, ist, dass mit den steigenden Zustimmungswerten für eine rechtsextreme Partei offenbar immer mehr Menschen sich legitimiert fühlen, menschenverachtende Äußerungen im Alltag zu machen“, erklärte sie. Dies betreffe nicht nur Migrantinnen und Migranten, sondern auch Menschen mit Behinderungen, queere Menschen und religiöse Minderheiten. Ataman befürwortet eine Prüfung eines möglichen AfD-Verbots durch das Verfassungsgericht „im Sinne der Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind.“
Dem Jahresbericht zufolge erleben die meisten Ratsuchenden Diskriminierung im Arbeitsleben. Demnach finde jeder dritte Fall bei der Arbeitssuche, im Bewerbungsgespräch oder am Arbeitsplatz statt. 22 Prozent der Menschen wurden bei sogenannten Alltagsgeschäften wie der Wohnungssuche, beim Einkauf oder im Restaurant diskriminiert.
Rund ein Viertel der Betroffenen beklagte eine Diskriminierung durch staatliche Stellen. Diese Fälle, die sich beispielsweise bei Ämtern und Behörden, in der Justiz, bei der Polizei oder in staatlichen Schulen und Universitäten ereignen, sind jedoch nicht von dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgedeckt. Gleiches gilt für Diskriminierungen im öffentlichen Raum, in Vereinen oder in sozialen Medien. Das Gesetz regelt die Bereiche Arbeitsmarkt und Alltagsgeschäfte.
Ataman kündigte Gespräche mit der Bundesregierung über die versprochene Stärkung des Diskriminierungsschutzes an. Die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei in der vergangenen Legislatur „leider auf der Strecke geblieben“. Das Gesetz sei „eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa“ und erfülle oft nicht einmal europäische Mindeststandards. „In Deutschland wird Falschparken konsequenter geahndet, als andere Menschen zu diskriminieren“, kritisierte die Beauftragte.
Die unabhängige Antidiskriminierungsstelle ist beim Bundesfamilienministerium angesiedelt. Sie berät und unterstützt Menschen, die aus rassistischen oder antisemitischen Gründen, wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden.