Berlin (epd). Abgeordnete von Grünen und Linken dringen auf Klarheit der Bundesregierung bei weiterhin offenen Fragen zur Rechtsgrundlage der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erlaubten Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen. In der Regierungsbefragung im Bundestag forderten mehrere Abgeordnete der beiden Oppositionsfraktionen eine Erläuterung, wie der Widerspruch der Maßnahme zum europäischen Recht gerechtfertigt wird. Mehrfach wurde die Frage gestellt, wie genau die Rechtsgrundlage für die Zurückweisungen aussehe. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) antworteten ausweichend.
Dobrindt beruft sich bei den Zurückweisungen auf den Paragrafen 18 im deutschen Asylgesetz. Demnach können Asylsuchende unter anderem dann zurückgewiesen werden, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen. Der Passus im deutschen Gesetz steht im Widerspruch zum europäischen Dublin-System, nach dem die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei Asylsuchenden zumindest zu prüfen, welcher Staat für das Verfahren zuständig ist. Das EU-Recht habe Anwendungsvorrang, betonten die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat und die Linken-Politikerin Clara Bünger und forderten Aufklärung.
Zum Widerspruch der Rechtsordnungen gab es in den vergangenen Tagen verschiedene Äußerungen innerhalb der Bundesregierung. Dobrindt hatte zunächst auf den Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verwiesen, der für EU-Mitgliedstaaten Ausnahmen von europäischen Regelungen „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ vorsieht. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte danach allerdings erklärt, dass eine Notlage nicht gelte, die von Experten als Voraussetzung für die Anwendung des Artikels gesehen wird.
Frei erklärte im Bundestag, die Erklärung einer Notlage werde für Dobrindts Vorgehen nicht gebraucht. Man verstoße nicht gegen Europarecht, sagte Klingbeil, ohne jedoch weiter auf den Widerspruch einzugehen. Auf erneute Nachfragen von Abgeordneten sagte er, die genaue Erklärung über das Vorgehen müsse von Bundesinnenminister Dobrindt kommen.