Expertin: Menschen in Krisen anfällig für Verschwörungsideologien

Expertin: Menschen in Krisen anfällig für Verschwörungsideologien

Köln (epd). In Krisensituationen sind Menschen der Publizistin Katharina Nocun zufolge besonders anfällig für Verschwörungserzählungen. Aufgrund von gesellschaftlichen Phänomenen wie einer Pandemie oder privaten Krisen wie Jobverlust seien sie besonders gefährdet, wenn ihnen eine Gruppe eine Geschichte erzähle sowie Anschluss und Freundschaften biete, sagte die Expertin für Verschwörungsideologien am Mittwoch im WDR5-„Morgenecho“.

Auf psychologischer Ebene könne das attraktiv sein, weil es Menschen die Illusion von Kontrolle gebe, sie Sündenböcke hätten oder in der Gruppe aufgewertet würden. Sogenannte Reichsbürger erzählten sich selbst eine Heldengeschichte, wonach sie auszögen, einen neuen Staat zu gründen, erläuterte sie.

Das Bundesinnenministerium hatte am Dienstag die bisher größte Vereinigung im Bereich der „Reichsbürger“ und Selbstverwalter, das „Königreich Deutschland“, verboten. Der Verein habe sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet und einen von der Bundesrepublik abgespaltenen „Gegenstaat“ errichten wollen, erklärte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

In ihrer Verschwörungserzählung glaubten „Reichsbürger“, dass sie einfach ihren Personalausweis vernichten und sich von einem angeblichen Staatsoberhaupt einen neuen ausdrucken lassen könnten, erläuterte Nocun. Diese Menschen führen mit selbst gedruckten Führerscheinen und dächten, dass sie keine Waffenbesitzkarte bräuchten. In der „Reichsbürger“-Szene habe es auch schon Morde gegeben, unterstrich die Autorin. Zudem seien deren Verschwörungserzählungen oft auch antisemitisch.

„Man muss generell die 'Reichsbürger'-Szene schon als Gefahr sehr ernst nehmen“, sagte Nocun. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit von etwa 25.000 Anhängerinnen und Anhängern dieser Verschwörungsideologie ausgehe, halte sie für zu niedrig. „Wenn ich mir allein auf Telegram einen größeren Kanal aus der Szene anschaue, dann sehe ich, dass da schon mehr als 100.000 Leute mitlesen“, betonte sie. „Das heißt, das ist ein Radikalisierungsraum.“