Studie: Umgang mit Missbrauchsverdacht im Kirchenkreis Siegen falsch

Studie: Umgang mit Missbrauchsverdacht im Kirchenkreis Siegen falsch

Siegen (epd). Im Umgang mit dem mutmaßlichen Missbrauchsfall im Kirchenkreis Siegen, der zum Rücktritt von Annette Kurschus als westfälische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) führte, haben sich laut einer unabhängigen Studie Beschäftigte der Evangelischen Kirche von Westfalen falsch verhalten. Bereits in den 1990er Jahren hätten die Dienstvorgesetzten des Beschuldigten Kenntnis von entsprechenden Vorwürfen gehabt, erklärten die Autoren der Studie der Unternehmensberatung Deloitte am Dienstag in Siegen. Sie kritisierten, dass damals eine formelle Untersuchung oder Meldung der Vorwürfe unterblieben sei. Belege für ein Fehlverhalten von Kurschus in ihrer Siegener Zeit als Pfarrerin und Superintendentin gebe es aber nicht.

Diese sei, als sie bereits Präses und EKD-Ratsvorsitzende war, von einer Pfarrerin im Oktober 2022 über die Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen den früheren Kirchenmitarbeiter informiert worden. Sie habe daraufhin die damalige Beauftragte für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung sowie den damaligen Ortsdezernenten des Kirchenkreises Siegen informiert, im März 2023 sei der Fall dann offiziell bei der Meldestelle der Landeskirche gemeldet worden. Die gesamte Kirchenleitung der westfälischen Kirche wurde demnach im April 2023 informiert.

Kurschus war in den 90er Jahren Pfarrerin in einer Nachbargemeinde und laut der Untersuchung „eine enge Freundin der Ehefrau des Beschuldigten“. Sie sei aber nicht die Dienstvorgesetzte des Mannes gewesen, betonten die Studienautoren. Kurschus hatte nach Bekanntwerden des Missbrauchsverdachts stets beteuert, dass sie in ihrer Siegener Zeit lediglich Hinweise auf die Homosexualität des Beschuldigten gehabt habe, nicht aber auf sexuellen Missbrauch.

Beschuldigt wurde laut der Studie ein Kirchenmusiker. Er soll seit den 1980er Jahren im Kirchenkreis Siegen junge Orgelschüler sexuell bedrängt und dazu das Schüler-Lehrer-Verhältnis ausgenutzt haben. Sieben Betroffene erhoben laut Studie Missbrauchsvorwürfe gegen den Mann. Sexuelle Kontakte zu zwei Betroffenen habe er eingeräumt. Ob die Betroffenen bereits volljährig waren, habe nicht abschließend geklärt werden können. Die Staatsanwaltschaft Siegen stellte strafrechtliche Ermittlungen Ende April 2024 ein, da die mutmaßlichen Missbrauchsfälle entweder verjährt oder die Betroffenen damals nicht mehr minderjährig gewesen seien.

Kurschus war im November 2023 als westfälische Präses und als EKD-Ratsvorsitzende zurückgetreten. Seit April 2024 ist sie Pastorin und Seelsorgerin in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld.