Karlsruhe (epd). Der Bundesgerichtshof hat den Patientenwillen psychischer kranker Menschen gestärkt. Wenn diese in einer wirksamen Patientenverfügung eine ärztliche Zwangsbehandlung verboten haben, dürfe ein Gericht sich regelmäßig nicht über den Patientenwillen hinwegsetzen und die Zwangsmaßnahme wegen fehlender „rationaler Überlegung“ dann doch noch genehmigen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 547/24)
Damit bekam eine Frau aus Dresden recht, die seit 2021 wegen ihrer paranoiden Schizophrenie mehrfach in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht war. In einer Patientenverfügung vom September 2022 lehnte sie die Einnahme von Neuroleptika und Antidepressiva zur Behandlung ihrer Erkrankung ab.
Ende September 2024 beantragte ihre Betreuerin beim Amtsgericht ihre Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung zur „notwendigen Heilbehandlung“. Das Gericht genehmigte die Unterbringung und die zwangsweise Behandlung mit Medikamenten. Nach Ende der Zwangsbehandlung wollte die Frau die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen lassen.
Das Landgericht konnte keine Rechtsfehler erkennen. Der Frau fehle es an Krankheitseinsicht. Die Betroffene sei zwar geschäftsfähig, so dass die Patientenverfügung als wirksam anzusehen sei. Die Verfügung sei aber „kein Ergebnis rationaler Überlegung“ gewesen, da die Frau nicht in der Lage gewesen sei, „die Frage der Behandlung rational abzuwägen“.
Der BGH entschied, dass die ärztliche Zwangsbehandlung die Frau in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Integrität verletzt habe. Das Landgericht habe sich rechtswidrig über die wirksame Patientenverfügung hinweggesetzt. Eine Patientenverfügung stehe der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme entgegen, „wenn die Patientenverfügung wirksam errichtet wurde, eine Regelung zu Zwangsbehandlungen enthält und auch in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll“. Die Zwangsmaßnahme hätte unter diesen Voraussetzungen nicht genehmigt werden dürfen.