Hannover (epd). Mit der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch gewinnt die Diskussion über ein mögliches Parteiverbot auch beim evangelischen Kirchentag in Hannover neue Dynamik. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor überstürzten Schritten.
Scholz verwies etwa auf das Parteiverbotsverfahren zur rechtsextremistischen NPD, das 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert war. „Deshalb muss man diese Dinge sehr sorgfältig erwägen, ich bin gegen einen Schnellschuss“, sagte er auf dem Kirchentag - bei einem seiner mutmaßlich letzten Auftritte als Kanzler.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD seit Freitag laut Mitteilung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein - wegen der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei. Dafür gab es viel Zuspruch und Applaus auf den politischen Podien und unter den Besuchern des Kirchentags. Die AfD kündigte an, sich juristisch gegen die Einstufung zu wehren.
Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund sprach sich für einen AfD-Verbotsantrag aus. „Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem ist ein Meilenstein und die Grundlage für ein hoffentlich erfolgreiches Verbotsverfahren“, sagte die frühere thüringische Umweltministerin, die den Grünen angehört. Die Entscheidung des Bundesamts zeige, dass die Demokratie wehrhaft sei. „Die AfD ist keine normale Partei, sie war es nie.“ Es dürfe keine Normalisierung der AfD geben.
Ihre Parteikollegin, die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang warb für Gespräche der demokratischen Fraktionen im Bundestag, um ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. „Wann wäre der Moment, wenn nicht jetzt“, sagte sie.
Der CDU-Politiker Philipp Amthor äußerte sich dagegen skeptisch. Man dürfe sich nicht vormachen, dass man die Probleme durch Feinde der Demokratie nur durch Verbotsverfahren lösen könne. Zudem warnte er ähnlich wie Scholz vor den hohen Hürden. Ein Scheitern würde „instrumentalisiert werden als demokratisches Gütesiegel aus Karlsruhe“, sagte der designierte Staatssekretär.
Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte, sollte ein Verbotsverfahren scheitern, wäre das ein großer Schaden und würde allein der AfD nutzen. Er sprach sich dafür aus, das Gutachten des Verfassungsschutzes sehr genau zu lesen.
Nach Auffassung des Verfassungsrechtlers Christoph Gooss wiederum sollte die Einstufung ein Parteiverbotsverfahren zur Folge haben. „Die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens ist nun zum Schutz unserer Verfassung dringend geboten“, sagte der Jurist dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Parteiverbotsverfahren kann nur von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung initiiert werden. Die schlussendliche Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt beim Bundesverfassungsgericht.
Die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber Bundestag und Bundesregierung, Anne Gidion, sagte, die Radikalisierung der AfD sei in den vergangenen Jahren in der Hauptstadtpolitik deutlich zu spüren gewesen. Sie habe daraus die Konsequenz gezogen, AfD-Abgeordnete zwar weiter zu Gottesdiensten und anderen offenen Formaten einzuladen, aber nicht mehr zu Treffen mit dem Charakter eines „Safe Space“ wie Abgeordnetenfrühstücke.