Hannover (epd). Glaubensfest mit Politprominenz in Hannover: In der niedersächsischen Landeshauptstadt findet bis Sonntag der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Nach der Eröffnung am Mittwochabend mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gestaltete am Donnerstag Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Bibelarbeit. Wichtige Themen zum Auftakt des Christentreffens waren der Einsatz für Gemeinwesen und Demokratie sowie die Klimakrise.
Merkel forderte mehr Anstrengungen zum Schutz des Planeten. Es bedürfe noch mehr Mut, Stärke und Beherztheit „von jedem von uns“, sagte sie unter Anspielung auf die Kirchentagslosung „mutig, stark, beherzt“. Auf ihre Amtszeit zurückblickend sagte sie selbstkritisch: „Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht.“
Für sie sei die Frage nach wie vor offen, „ob wir Menschen willens und in der Lage sind“, im Sinne der Vorsorge entsprechend den Warnungen und Einschätzungen von Experten zu handeln. „Der Beweis dafür ist bis heute nicht erbracht“, sagte Merkel und ergänzte, das gelte für Deutschland wie für den Rest der Welt. „Diese Feststellung lastet schwer auf uns, auch auf mir“, sagte Merkel, die von 2005 bis 2021 deutsche Regierungschefin war und bei ihrem Kirchentagsauftritt von rund 5.000 Menschen bejubelt wurde.
Bei der Eröffnung des Christentreffens hatte Bundespräsident Steinmeier zu gesellschaftlichem Engagement ermuntert: „Wir alle könnten, jeder von uns, sicher selber noch ein Stück mutiger, stärker, beherzter sein, als wir sind.“ Es sei vielleicht die wichtigste Botschaft, die die Kirche der Welt geben könne, sagte Steinmeier: „Dass wir Hoffnung haben dürfen, dass wir als Christen Zuversicht haben dürfen, dass die Zukunft offen ist, dass wir uns von Bedrängnissen der Gegenwart befreien können.“
Im Anschluss an die Eröffnung kamen nach Angaben der Veranstalter rund 150.000 Menschen bei milden Temperaturen zu einem Straßenfest in der hannoverschen Innenstadt. Auch am Donnerstag herrschte bei strahlendem Sonnenschein reges Treiben in der Stadt und auf dem Messegelände, wo zahlreiche der mehr als 1.500 geplanten Veranstaltungen stattfinden.
Zum Tag der Arbeit riefen Vertreter von Gewerkschaften und Kirche in Hannover zu Geschlossenheit im Kampf für Demokratie auf. „Wir brauchen mehr denn je Zusammenhalt“, sagte der Bezirksvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Niedersachsen, Mehrdad Payandeh, bei einer Kundgebung am Rande des Kirchentages. Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund betonte: „Wir brauchen einen Aufbruch und mehr Gemeinsamkeit. Demokratie ist keine Komfortzone, sondern harte Arbeit.“ Es sei wichtig, im Schulterschluss für eine offene und gerechte Gesellschaft zu demonstrieren.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kritisierte am Donnerstag bei einer Bibelarbeit, dass die Bereitschaft, einander zuzuhören, abgenommen habe. „Das fängt schon bei uns selbst an, wenn wir eine vorgefertigte Meinung haben, einander das Wort abschneiden, uns lieber mit Gleichgesinnten umgeben“, sagte der Katholik Kretschmann. Zudem stellten „Populisten, die aufhetzen und spalten, Trolle, die Lügen verbreiten und Radikale, die Andersdenkende niederbrüllen“, eine Bedrohung für die Debattenkultur dar.
Für Freitag wird wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Kirchentag erwartet. Am Samstag kommt Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) nach Hannover.
Der Etat für das Protestantentreffen beträgt rund 25 Millionen Euro. Das Land Niedersachsen steuert 7 Millionen Euro bei, die Stadt Hannover 4 Millionen Euro und die hannoversche Landeskirche 7,4 Millionen Euro. Der Rest entfällt auf Einnahmen aus Merchandising, von Sponsoren und aus dem Ticketverkauf.