Hannover (epd). ARD-„Tagesthemen“-Moderatorin Jessy Wellmer hat davor gewarnt, das Erstarken der AfD allein als ostdeutsches Problem wahrzunehmen. „Wir müssen das als gesamtdeutsches Problem sehen“, mahnte die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Moderatorin und Dokumentarfilmerin am Donnerstag beim 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover.
Zwar sei der Stimmenanteil der AfD prozentual doppelt so hoch wie in westlichen Bundesländern. In absoluten Zahlen habe die AfD die meisten Stimmen jedoch aus dem Westen erhalten, erklärte die Moderatorin und Dokumentarfilmerin. In ostdeutschen Bundesländern sei zugleich mehr Empörung zu spüren, räumte Wellmer ein. Nötig bleibe es, den Osten Deutschlands immer auch mitzudenken.
Der Münsteraner Soziologe Detlev Pollack erklärte, dass es in ostdeutschen Bundesländern einen großen Unterschied „zwischen gefühlter und objektiv nachweisbarer Diskriminierung“ gebe. Häufig fühlten sich ostdeutsche Menschen benachteiligt, obwohl sich ihre Lebenssituation enorm verbessert habe. „Das hängt mit gestiegenen Ansprüchen zusammen“, sagte der in Weimar geborene Religionssoziologe. Das Bewusstsein, mit der Wahl einer Partei wie der AfD politischen Einfluss zu haben, nehme in Ostdeutschland weiter zu.
Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle an der Saale mahnte, die Stimmungen Ostdeutscher wahrzunehmen. Die Gefühle der Menschen dürfe man nicht einfach wegwischen: „Jedes Schicksal ist ein Schicksal“, unterstrich der aus dem Senegal stammende Diaby. Die Krisen würden nicht herbeigeredet: „Sie sind da.“