Brüssel (epd). Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, Nicolas Schmit, hat die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei, Ursula von der Leyen, heftig für EU-Migrationsabkommen mit Staaten in Nordafrika kritisiert. Er sei entsetzt über die Medienberichte, denen zufolge Migranten in Tunesien in die Wüste getrieben, verprügelt und teilweise getötet würden, sagte Schmit am Donnerstag in Brüssel während einer TV-Debatte der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten für die Europawahl.
„Das ist nicht Europa. Das sind nicht unsere europäischen Werte. Das ist eine Vereinbarung mit einer bösartigen Diktatur“, sagte Schmit. Direkt an Kommissionspräsidentin von der Leyen gerichtet, ergänzte er: „Also erzählen Sie uns nicht, es gehe darum, Schlepper und Schleuser zu bekämpfen. Es geht darum, Flüchtlinge zu bekämpfen.“ Das sei das Problem mit „diesen Abkommen“.
Von der Leyen hatte bei der Debatte um Migration das organisierte Verbrechen ins Zentrum gestellt. „Wer steckt denn dahinter? Es sind Schlepper und Schleuser“, sagte sie. Wer Schutz brauche, dem müsse Schutz geboten werden. Aber die EU müsse entscheiden, wer und wie in die EU komme, nicht Schlepper und Schleuser.
Die Spitzenkandidatin der europäischen Grünen, Terry Reintke, sprach sich für eine gemeinsame EU-Seenotrettungsmission im Mittelmeer aus. „Das Sterben im Mittelmeer muss enden“, sagte sie in der Debatte.
Sandro Gozi, Spitzenkandidat der europäischen Liberalen, lobte die kürzlich von der EU verabschiedete Asylreform. Als italienischer Politiker wisse er besser als seine Kollegen auf der Bühne, wie die Spaltung in der EU-Migrationspolitik das Mittelmeer in einen Friedhof verwandelt habe. Hätte man schon während der Migrationskrise von 2014/2015 die neuen Regeln für Migration und Asyl gehabt, wäre das sowohl für die EU als auch für die Asylsuchenden besser gewesen, sagte er. „Ja, Europa kann die Kontrolle in der Migrationspolitik zurückerlangen und zwar in humaner Weise.“
Der Spitzenkandidat der europäischen Linken, Walter Baier, sagte: „Lassen Sie mich ganz persönlich antworten. Ich habe meine Großmutter nie kennengelernt, weil sie in Auschwitz starb. Sie starb in Auschwitz, weil im Jahr 1938 die sogenannten westlichen Demokratien daran scheiterten, ihre Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen.“ Heute scheitere die EU wieder daran, ihre Grenzen für Geflüchtete zu öffnen. Das sei eine Schande. Es brauche Respekt und Solidarität, erklärte der Österreicher.
EU-Bürgerinnern und Bürger sind am 9. Juni zur Wahl eines neuen EU-Parlaments aufgerufen. Bei der TV-Debatte stellten sich die Spitzenkandidaten der europäischen Parteifamilien vor. Von der Leyen kandidiert für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin.