Steinmeier wirbt für offene Debatte über Bürgerdienste

Steinmeier wirbt für offene Debatte über Bürgerdienste
Bundespräsident Steinmeier wünscht sich mehr Engagement für die Allgemeinheit. Träger der Freiwilligendienst fürchten hingegen Kürzungen und fordern einen Rechtsanspruch statt eines Pflichtdienstes, wie Steinmeier ihn vorschlägt.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat für mehr Dienste an der Gemeinschaft geworben, um den Zusammenhalt zu fördern. Deutschland brauche „engagierte Mitmenschlichkeit“, gerade weil gesellschaftliche Konflikte schärfer würden, sagte der Bundespräsident am Mittwoch in Berlin. Zum 60. Jubiläum des Freiwilligen Sozialen Jahres rief Steinmeier zu einer offenen Debatte über Freiwilligen- oder Pflichtdienste auf. Er selbst hatte im vorigen Jahr eine soziale Pflichtzeit ins Gespräch gebracht. Die Wohlfahrtsverbände lehnen Pflichtdienste ab.

Steinmeier sagte, trotz unterschiedlicher Auffassungen über Freiwilligen- und Pflichtdienste dürfe man das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren. Es komme darauf an, dass möglichst viele Menschen einmal in ihrem Leben etwas für das Gemeinwesen täten und die Erfahrung machten, für andere da zu sein. Er sehe „mit Sorge“, wie schwer es vielerorts geworden sei, Menschen für freiwilliges Engagement zu gewinnen. Angesichts der veränderten Sicherheitslage müsse in die Debatte über Bürgerdienste auch die Frage eines Wehrdienstes und die Kombination verschiedener Dienstformen einbezogen werden, sagte Steinmeier.

Der Bundespräsident sprach auf einer Festveranstaltung, mit der die Evangelischen Freiwilligendienste an die Einführung des Diakonischen Jahres vor 70 Jahren erinnerten, aus dem die Jugendfreiwilligendienste hervorgingen. Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht wurden sie 2011 um den Bundesfreiwilligendienst erweitert. Auch bei der Bundeswehr ist es möglich, einen Freiwilligendienst zu leisten.

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch forderte ausreichende Ressourcen für die Dienste und einen Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst im In- oder Ausland. Jede und jeder, die oder der einen solchen Dienst leisten wolle, müsse ihn auch absolvieren können. „Aus 100.000 könnten gerne auch 200.000 Freiwillige im Jahr werden“, sagte Schuch. Auch die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, forderte eine „verlässliche finanzielle Förderung durch den Bundeshaushalt“. Schon die heutigen Dienste bräuchten „dringend“ stabile Rahmenbedingungen.

Angesichts der Sparvorgaben für den Bundeshaushalt 2025, der derzeit von der Regierung erarbeitet wird, fürchten die Träger der Freiwilligendienste eine Wiederauflage der Kürzungspläne für den Bundeshaushalt 2024, die im Verlauf der Haushaltsberatungen nur teilweise zurückgenommen worden waren. Diakonie und evangelische Träger der Freiwilligendienste rechnen nach eigenen Angaben damit, dass Anfang des kommenden Jahres ein Viertel der bisherigen Mittel fehlen. Das Bundesfamilienministerium teilte auf Nachfrage mit, konkrete Aussagen zu den künftigen Freiwilligenjahrgängen könnten voraussichtlich erst im Sommer getroffen werden.

Das Diakonische Jahr gilt als Geburtsstunde der Freiwilligendienste. Im Mai 1954 rief der damalige Leiter der Diakonie Neuendettelsau, Hermann Dietzfelbinger, junge Frauen dazu auf, ein Jahr lang freiwillig Dienst in der Diakonie zu leisten. Zehn Jahre später, Ende April 1964, verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres. Mit mehr als 60 Organisationen sind die evangelischen Träger nach Angaben ihrer Dachorganisation der größte Anbieter von Freiwilligenplätzen in Deutschland. Jedes Jahr treten bei den evangelischen Organisationen rund 14.000 neue Freiwillige den Dienst an, bundesweit rund 100.000 Menschen.