Verfahren gegen Seenotretter in Italien eingestellt

Verfahren gegen Seenotretter in Italien eingestellt
Die Seenotretter der "Iuventa" müssen sich nicht länger in Italien vor Gericht verantworten. Nach fast sieben Jahren wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. Rund 800.000 Euro hat sie der Rechtsstreit gekostet.

Rom (epd). Im Vorprozess um Crewmitglieder der „Iuventa“ sowie andere Seenotretterinnen und Seenotretter ist das Verfahren gegen alle Angeklagten eingestellt worden. Die Entscheidung gab das Gericht im sizilianischen Trapani am Freitag bekannt. In den fast zwei Jahre dauernden Verhandlungen ging es darum, ob es zu einem Hauptprozess kommt oder nicht. In diesem Fall hätte den Angeklagten wegen „Beihilfe zur irregulären Einreise“ bis zu 20 Jahre Gefängnis gedroht.

Sascha Girke, einer der zuletzt zehn in Trapani Angeklagten und Mitglied der „Iuventa“-Crew, sagte nach der Urteilsverkündung: „Unser Fall ist ein krasses Symbol für die Strategien, die europäische Regierungen anwenden, um Menschen daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen.“ Auch wenn er das Urteil als symbolisch betrachte und nicht daran glaube, dass Italien nun seine Politik gegenüber den zivilen Seenotrettern ändern werde, sei es doch motivierend, dass die „Schmierkampagne“ vorbei sei.

Den Angeklagten war vorgeworfen worden, mit Schleppern zusammengearbeitet zu haben, die Migrantinnen und Migranten in meist nicht seetauglichen Booten über das Mittelmeer nach Europa schleusen. Die „Iuventa“, das Schiff der Berliner Organisation „Jugend Rettet“, war am 2. August 2017 von italienischen Behörden beschlagnahmt worden. Nach fast fünf Jahren Ermittlung begann am 21. Mai 2022 der Vorprozess vor dem Gericht in Trapani.

Amnesty International äußerte sich erleichtert über das Urteil. Die „Iuventa“-Crewmitglieder seien der „Pflicht zur Seenotrettung nachgekommen“, sagte die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Julia Duchrow. „Es ist ein Unding, dass gegen die Crew dafür über einen Zeitraum von über sechs Jahren strafrechtlich ermittelt wurde.“ Für ihren Einsatz im Mittelmeer müssten sie gewürdigt, nicht angeklagt werden.

Die Kosten, die für die vier Seenotretter der „Iuventa“ seit Ermittlungsbeginn entstanden sind, belaufen sich laut Crewmitglied Girke auf etwa 800.000 Euro. Dies sei über Spendengelder finanziert worden.

Nicola Canestrini, der Anwalt der deutschen Seenotretter, erklärte, laut italienischem Recht stünden jedem Angeklagten nach der Einstellung des Verfahrens nun höchstens 10.000 Euro als Kompensation zu - die allerdings auch erst eingeklagt werden müssten. „Das deckt bei weitem nicht die Kosten, die angefallen sind“, sagte Canestrini.

Bereits Ende Februar hatte die Staatsanwaltschaft von Trapani in ihrem Plädoyer überraschend beantragt, das Verfahren einzustellen. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Vorsatz der Angeklagten nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen werden konnte. Außer den „Iuventa“-Crewmitgliedern musste sich auch Seenotretterinnen und Seenotretter verantworten, die für andere Organisationen Einsätze gefahren waren, etwa für „Ärzte ohne Grenzen“.

Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Flüchtlingsrouten der Welt. Seit 2014 kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bei der Überquerung mehr als 29.000 Menschen ums Leben oder sie werden vermisst. Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher.