Antisemitismus-Expertin warnt vor "Parallel-Realität" sozialer Medien

Antisemitismus-Expertin warnt vor "Parallel-Realität" sozialer Medien

Wiesbaden (epd). Die Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, Deborah Schnabel, hat soziale Medien für die Verbreitung und damit Normalisierung von menschenverachtenden Inhalten kritisiert. Insbesondere die Video-Plattform Tiktok sei als das „neue Massen- und Leitmedium einer ganzen Generation“ ein Brandbeschleuniger für radikale, antisemitische und verschwörungsideologische Inhalte, sagte Schnabel am Mittwochabend in Wiesbaden. Die Algorithmen der Plattformen begünstigten solche Videos. Das führe dazu, dass Nutzer zunehmend die Inhalte sehen, die sie sich ohnehin schon angeschaut haben. So befinde man sich „ganz schnell für 30 bis 45 Minuten in einer absoluten Parallel-Realität“, von denen viele nebeneinander existierten, so Schnabel.

Davon berichteten auch Schülerinnen und Schüler, sagte die Direktorin bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Antisemitismus in Hessen - Der 7. Oktober und seine Folgen für die Bildungsarbeit“. Bei der von der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag ausgerichteten Veranstaltung mahnte Schnabel an, sogenannten Influencern nicht blind zu vertrauen. So fielen etwa Menschen, die bisher Koch- oder Schmink-Videos produzierten, nun mit verschwörungsideologischen Inhalten auf. Aufgrund der hohen Reichweite dieser Influencer gingen junge Menschen jedoch teils davon aus, dass sie „wüssten, wovon sie sprechen“.

Content-Creator seien „die neuen Stars der jungen Menschen“ und stünden unter dem Druck, sich positionieren zu müssen, sagte Schnabel. „Wenn man Reichweite hat, wird man konfrontiert: 'Jetzt äußere dich mal zu Palästina'. Und dann machen sie das. Leider, muss man sagen“, so Schnabel. Es gebe momentan keine Hebel, solche Inhalte einzufangen. Gesamtgesellschaftlich werde aktuell verschlafen, dem Phänomen mit Medienkompetenz zu begegnen und Inhalte gegen Antisemitismus, die die Menschenwürde achten, auf die Plattformen zu bringen.