EU einig über Gewaltschutz für Frauen

EU einig über Gewaltschutz für Frauen
Neue EU-Richtlinie klammert Straftatbestand der Vergewaltigung aus
In der EU sollen Frauen künftig besser und nach einheitlichen Standards vor sexueller und häuslicher Gewalt geschützt werden - außer, wenn sie vergewaltigt werden. Die Einigung auf eine zwiespältige Richtlinie ruft auch geteilte Reaktionen hervor.

Brüssel, Berlin (epd). Die Bundesregierung hat die Einigung auf ein Gewaltschutz-Gesetz für Frauen in der Europäischen Union (EU) begrüßt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach am Mittwoch in Berlin von einem „Meilenstein für Frauen in Europa“, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) von „einer sehr guten Nachricht“. Kritik an der Rolle Deutschlands bei den Verhandlungen kam von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren.

Paus erklärte, erstmals werde eine EU-weite Regelung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und gemeinsame Mindeststandards für den Schutz vor dieser Gewalt geschaffen. Ein Scheitern der Richtlinie wäre ein großer gleichstellungspolitischer Rückschritt gewesen, fügte sie hinzu.

Das EU-Parlament und die EU-Staaten hatten sich am Dienstagabend in Straßburg auf die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geeinigt. Damit sollen bestimmte Straftaten in allen EU-Staaten gleich geregelt werden, etwa Cybergewalt, weibliche Genitalverstümmelung oder Zwangsehen.

Verbessert werden sollen außerdem der Zugang zur Justiz, der Schutz von Kindern und die Betreuung von Gewaltopfern. Parlament und EU-Staaten müssen dem finalen Gesetzestext noch zustimmen. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte am Mittwoch auf X, ehemals Twitter: „Wir müssen Frauen schützen und sicherstellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“

Das Thema Vergewaltigung klammert die Richtlinie dagegen aus. Das EU-Parlament hatte ursprünglich eine Regelung gefordert, wonach jeder sexuellen Handlung zugestimmt werden müsste, nach dem Prinzip „Ja heißt Ja“. Unter anderem in Schweden und Spanien gilt dies bereits. In Deutschland gilt seit einer Reform des Sexualstrafrechts 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“. Eine Vergewaltigung liegt demnach nur dann vor, wenn Frauen den Sex deutlich ablehnen. Deutschland und Frankreich hatten den Artikel 5 zu Vergewaltigungen blockiert, andere Staaten schlossen sich an.

Justizminister Buschmann rechtfertigte die deutsche Haltung erneut mit dem Argument, die EU habe keine rechtliche Kompetenz für eine Harmonisierung des Straftatbestands der Vergewaltigung. Daher wäre eine EU-weite Vereinheitlichung rechtsstaatswidrig: „Darüber war sich die Bundesregierung immer einig“, sagte er.

Die Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy, Kristina Lunz, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Blockade Deutschlands beim Thema Vergewaltigung sei „nichts Geringeres als ein Skandal“. Nun gebe es weiter einen Flickenteppich nationaler Regelungen. „In mehr als zehn Staaten müssen Frauen noch immer beweisen, dass sie sich körperlich gewehrt haben, wenn sie nach einer Vergewaltigung vor Gericht gehen“, kritisierte Lunz.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden in der EU jedes Jahr 1,5 Millionen Frauen vergewaltigt. Terre des Femmes und der Deutsche Frauenrat kritisierten ebenfalls, dass Vergewaltigung ausgeklammert wird. „Die neue Richtlinie bedeutet für Millionen Frauen eine Stärkung ihrer Rechte - außer, wenn sie vergewaltigt werden“ erklärte Sina Tonk von Terre de Femmes. Die Bundesvorsitzende der Frauen Union der CDU, Annette Widmann-Mauz, sagte dem epd, es sei „bedauerlich, dass die Bundesregierung die Chance vertan hat, zu einheitlichen Standards zur Vergewaltigung EU-weit zu kommen“.