Wissenschaft: Zukunft der Arbeit liegt in der Vielfalt

Wissenschaft: Zukunft der Arbeit liegt in der Vielfalt
Wirtschaft und Gesellschaft profitieren am stärksten von einem ganzheitlicheren Verständnis von Arbeit, sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer aktuellen Empfehlung. Angesichts der Krisen fordern sie mehr Tempo beim Umbau.

Berlin (epd). Die Zukunft der Arbeit liegt aus Forschungssicht in einer Verbindung der klassischen Erwerbsarbeit mit neuen Berufen und unbezahlter Arbeit. Dafür müssten Politik und Gesellschaft die Rahmenbedingungen schaffen, empfiehlt eine hochrangige Forschungsgruppe in einer Stellungnahme, die die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften am Donnerstag in Berlin veröffentlichten.

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter Leitung der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, kommt zu dem Schluss, dass angesichts der starken Veränderung der Erwerbsarbeit künftig von einer „Tätigkeitsgesellschaft“ statt einer „Arbeitsgesellschaft“ gesprochen werden sollte. Der hohe gesellschaftliche Nutzen von Angehörigenpflege, Kindererziehung und ehrenamtlicher Arbeit müsse anerkannt werden und für Veränderungen sorgen.

Allmendinger erläuterte den Ansatz der Stellungnahme und beugte Missverständnissen vor. Es gehe weder um das Ende der klassischen Berufsarbeit noch um Start-ups und Billardtische im Büro. Vielmehr habe man sich die Frage gestellt, was heute getan werden müsse, damit wohlstands- und zukunftssichernde Arbeit in 30 Jahren noch möglich sei. „Wir müssen Quantensprünge machen“, sagte die Studien-Koordinatorin.

Allmendinger drang auf mehr Tempo beim Umbau der Arbeitswelt und des Bildungswesens. Es müsse selbstverständlich sein, bezahlte Arbeit kombinieren zu können mit Pflege-Aufgaben, Kindererziehung, Weiterbildung, Studium oder ehrenamtlichem Engagement. Sie forderte flexible Altersgrenzen, Unterbrechungen im Arbeitsleben zu ermöglichen, gute Wiedereinstiegsmöglichkeiten und massive Verbesserungen im Bildungswesen. Die Ungleichheit sei für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft ein massives Problem.

Man müsse alle Kinder „so früh wie möglich abholen“ und ihnen Bildungserfolge ermöglichen, forderte Allmendinger. Andernfalls habe man es später mit benachteiligten, „vollständig frustrierten und entmutigten Jugendlichen“ zu tun. Sie habe „überhaupt kein Verständnis dafür, dass man das nicht tut“, sagte Allmendinger: „Je mehr Krisen wir sehen, umso mehr sehen wir auch, dass diese jungen Menschen sie nicht bewältigen können.“ In kaum einem anderen Industrieland ist der Bildungserfolg so stark abhängig von der Herkunft wie in Deutschland. Jedes Jahr verlassen Zehntausende Jugendliche die Schulen ohne Abschluss.

Im Einzelnen liefern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zahlreiche Handlungsempfehlungen. Sie reichen von der Forderung nach mehr Pflege-Angeboten bis zu räumlich-baulichen Konzepten für Coworking-Bereiche, die sich zwischen klassischen Arbeitsorten und dem Home-Office als dritte Möglichkeit entwickeln. Solche Orte sollten nicht nur von der Privatwirtschaft, sondern auch öffentlich gefördert und etwa mit kommunalen Treffpunkten kombiniert werden, um den Gemeinsinn zu stärken, empfehlen sie.

Ziel von Politik und Gesellschaft müsse es sein, in unterschiedlichen Formen des menschlichen Tätigseins die großen Herausforderungen der Gegenwart anzugehen. Dazu zählen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bewältigung der Klimakrise, die Transformation der Wirtschaft, die Digitalisierung, die Alterung der Gesellschaft, den Arbeitskräftemangel und den Umgang mit Einwanderung.