Lauterbach-Entwurf: Pflegekräfte sollen mehr entscheiden können

Lauterbach-Entwurf: Pflegekräfte sollen mehr entscheiden können
Der Pflegeberuf ist ein Heilberuf. Gut ausgebildete Pflegekräfte können mehr als sie dürfen. Solche Feststellungen sind zu hören, wenn es um die Aufwertung des Pflegeberufs geht. Nun sollen die Gesetzesänderungen kommen, die bisher fehlen.

Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Handlungs- und Entscheidungsspielräume von Pflegekräften gesetzlich erweitern. Er stellte am Dienstag in Berlin Eckpunkte für ein „Pflegekompetenzgesetz“ vor, mit dem Fachkräften mehr Verantwortung übertragen würde. Ziel ist, die Abhängigkeit von Ärzten zu verringern, Arbeitsabläufe flüssiger zu machen und das Ansehen und die Attraktivität des Berufs zu erhöhen.

Ein Gesetzentwurf soll nächstes Jahr folgen und nach Lauterbachs Worten möglichst im ersten Halbjahr 2024 im Bundestag beschlossen werden. Lauterbach sagte: „Pflegefachkräfte können mehr, als sie dürfen.“ Er kündigte ein „ehrgeiziges Gesetz“ an und machte deutlich, dass ohne die Reform der Personalmangel in der pflegerischen Versorgung noch stärker durchschlage: „Wir werden in allen Bereichen eine Unterversorgung haben“, sagte Lauterbach. „Wir können es uns nicht leisten, Potenzial liegenzulassen.“

Die Erweiterung der Kompetenzen richtet sich nach der Ausbildung. Es gehe um vier Gruppen, sagte der Minister: examinierte Pflegekräfte, examinierte Pflegekräfte mit einer Zusatzausbildung sowie studierte Fachkräfte mit Bachelor- oder Masterabschluss. Ein Beispiel: Hat eine Pflegekraft eine Zusatzausbildung zu Diabetes, soll sie künftig über die Pflege entscheiden, sie ausführen und auch Insulin verordnen können, wenn wieder welches gebraucht wird.

Heute schreiben die Ärzte die Rezepte. Das hält die Pflegekräfte auf und bedeutet in der häuslichen Pflege für Angehörige von Pflegebedürftigen, dass sie zwischen Arztpraxis und Pflegedienst hin- und herlaufen. Lauterbach verwies auf die elektronische Patientenakte und das elektronische Rezept, das ab Januar 2024 verpflichtend wird. Auch das werde auch zu Vereinfachungen führen, sagte er.

Pflegekräfte sollen außerdem mehr Leitungsverantwortung übernehmen, etwa in Gesundheitskiosken oder Krankenhäusern der Grundversorgung. In Modellprojekten soll ausprobiert werden, ob sie in Heimen anstelle des Medizinischen Dienstes die Anpassung von Pflegestufen übernehmen können.

Die politische Vertretung der Pflege auf Bundesebene soll verbessert werden. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Eckpunkte enthielten das, was Berufsverbände seit Jahren forderten: „Jeder einzelne Punkt ist ein Schritt in die richtige Richtung“, lobte Vogler. Weil es sich um Eckpunkte handele, wisse man allerdings noch nicht, wie das geplante Gesetz aussehe und sich in der Praxis auswirken werde. „Beeindruckend“ sei aber die neue Haltung des Bundesgesundheitsministeriums zur Pflege, sagte Vogler: „Das hatten wir in der Form noch nie.“

Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), begrüßte die bevorstehende Reform ebenfalls. Wenn Pflegekräfte mehr Handlungsspielraum bekämen, diene dies der Versorgungsqualität und der Berufszufriedenheit gleichermaßen, erklärte sie.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, der, wie auch Krankenhausvertreter und die Kassenärzte an den Gesprächen im Bundesgesundheitsministerium teilgenommen hatte, betonte, Ärzte und Pflege seien auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen. Bisher hätten sich beide Seiten oft misstrauisch gegenübergestanden, „die Notwendigkeit der Reform steht nicht in Frage“, sagte Reinhardt. Zustimmung kam auch von Krankenkassen wie etwa der AOK.