Fall Ofarim: "Erfundener Einzelfall schadet den wahren Opfern"

Fall Ofarim: "Erfundener Einzelfall schadet den wahren Opfern"
29.11.2023
epd
epd-Gespräch: Katharina Rögner

Dresden, Frankfurt a. M. (epd). Der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, hat im Fall Gil Ofarim den jüdischen Sänger scharf kritisiert. „Ofarims Lüge ist klar zu verurteilen“, sagte Mendel am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ofarim hatte 2021 behauptet, von einem Mitarbeiter eines Leipziger Hotels antisemitisch beleidigt worden zu sein und hielt zwei Jahre lang an dieser in den sozialen Medien verbreiteten Aussage fest. Ein Strafverfahren gegen den Sänger wegen Verleumdung war am Dienstag nach einem Geständnis Ofarims vorläufig eingestellt worden. Er entschuldigte sich bei dem Hotel-Mitarbeiter, der im Prozess als Nebenkläger aufgetreten war.

„Das Tragische ist, dass diese erfundenen Einzelfälle oft weitaus größere Aufmerksamkeit erhalten und so den wahren Opfern schaden“, sagte Mendel. Tatsächlich Betroffene berichteten immer wieder davon, dass ihnen ihre Erfahrungen antisemitischer, rassistischer, sexistischer Gewalt abgesprochen würden. „Es darf aber nicht sein, dass die Lügen Einzelner jene Menschen in Misskredit bringen“, sagte Mendel.

Er unterstrich, Ofarims Verhalten ändere „so wenig am gravierenden Antisemitismusproblem, wie eine einzelne erfundene Vergewaltigung die reale Problematik sexualisierter Gewalt infrage stellen würde“. Daher sollte „unsere gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit“ der „massiven Bedrohungslage der jüdischen Community“ gelten, forderte der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. Jüdinnen und Juden in Deutschland seien aktuell einem beispiellosen Ausmaß an Antisemitismus ausgesetzt. Dies zeige sich in tätlichen Angriffen, Äußerungen und gezielten Sachbeschädigungen.

Der Fall Ofarim zeige auch, „dass Social-Media-Dynamiken zunehmend die Art und Weise bestimmen, wie wir Debatten führen“. Jede und jeder Einzelne sollte viral gehende Einzelfallschilderungen in den sozialen Medien grundsätzlich kritisch prüfen.

Der Umgang mit Antisemitismus sollte Mendel zufolge „nicht von einzelnen Betroffenenberichten und damit einhergehenden Erregungskurven in Social Media abhängen“. Forschung, Bildungspraxis und Statistiken zeigten, „dass wir ein gesamtgesellschaftliches Problem mit Antisemitismus haben, dem wir uns mit Nachdruck widmen müssen“.

Dagegen würden „ritualisierte Nie-wieder-Bekenntnisse oder reflexhafte Solidarität mit einem scheinbar betroffenen Prominenten dieses Problem nicht lösen“. Vielmehr brauche es langfristig gesicherte und entsprechend finanzierte Maßnahmen der Bildung und Prävention sowie Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene.