Schärfere Abschieberegeln auf den Weg gebracht

Schärfere Abschieberegeln auf den Weg gebracht
Kanzler Olaf Scholz hat jüngst angekündigt, "im großen Stil" diejenigen abzuschieben, "die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben". Nun hat sein Kabinett ein Regelwerk beschlossen, das dies möglich machen soll.

Berlin (epd). Die Bundesregierung will mit mehr Befugnissen für Polizei und Behörden die Zahl der Abschiebungen steigern. Das Kabinett billigte am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), der unter anderem vorsieht, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage zu verlängern, Abschiebungen nicht mehr vorab anzukündigen und die Befugnisse der Polizei bei Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften zu erweitern. Die Pläne müssen noch vom Bundestag beraten und beschlossen werden.

Faeser betonte: „Wir sorgen dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen.“ Das sei notwendig, „damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen, wie zum Beispiel auch die 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine“. Die Zahl der Rückführungen sei in diesem Jahr zwar um 27 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, dennoch gebe es erheblichen Handlungsbedarf.

Die Regelungen sollen künftig effektiver verhindern, dass sich ausreisepflichtige Ausländer einer Abschiebung entziehen. Ende September lebten nach Angaben des Bundesinnenministeriums 255.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Rund 205.000 von ihnen hatten aber eine Duldung, können aktuell also nicht abgeschoben werden. Rund 12.000 Abschiebungen gab es in diesem Jahr laut Ministerium bis Ende September. Das sind mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, aber deutlich weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie.

In dem Entwurf heißt es, dass zwar „schwer abschätzbar“ ist, wie viele zusätzliche Abschiebungen es durch die Neuregelung geben wird. Angenommen wird aber, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht „die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (fünf Prozent) steigen wird“.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die Polizei bei einer Abschiebung auch andere Räume als der Betroffenen in einer Gemeinschaftsunterkunft durchsuchen darf. Zudem sollen künftig auch vermehrt Abschiebungen bei Nacht erlaubt werden können. Geplant ist ferner die Verschärfung einer Reihe von Strafvorschriften. So sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote ein eigenständiger Grund für eine Abschiebehaft werden. Ein Verstoß gegen Meldepflichten, räumliche Beschränkungen oder eine Wohnsitzauflage soll schon beim ersten Mal strafbar sein.

Zudem sollen mutmaßliche Mitglieder krimineller Vereinigungen ausgewiesen werden können, auch wenn sie nicht strafbar geworden sind. Für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz gibt es eine Verbesserung: Ihre Aufenthaltserlaubnis soll künftig drei Jahre statt wie bislang nur ein Jahr gültig sein.

Der Entwurf stößt auf breite Kritik. Auch Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen äußerten Bedenken. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff sagte dem Berliner „Tagesspiegel“ (Mittwoch): „Maßnahmen, die vor allem staatliche Härte zeigen sollen, die Situation aber nicht konkret verbessern, helfen nicht weiter.“ Der Grünen-Parlamentarier Julian Pahlke sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Mittwoch), das Gesetz sei in seiner jetzigen Form möglicherweise nicht mit der Verfassung vereinbar: „Dieser Zweifel wiegt schwer und muss ausgeräumt werden.“

Die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Andrea Lindholz (CSU), forderte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wiederum auf, den Gesetzentwurf im Parlament nicht aufzuweichen.

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl kritisierte derweil, dass verschärfte Abschiebungsregeln kaum dazu führen würden, „dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden, aber sie führen zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte“.