Nahost-Krieg: Große Sorge vor humanitärer Katastrophe

Nahost-Krieg: Große Sorge vor humanitärer Katastrophe
Mehr als zwei Millionen Menschen sind in den palästinensischen Gebieten auf Hilfe angewiesen. Hochrangige UN-Vertreter fordern ungehinderten Zugang für humanitäre Helfer - und zeigen sich zugleich schockiert über die Gewalt der Hamas.

Genf, New York (epd). Wegen des Kriegs zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas wächst die Sorge vor einer humanitären Katastrophe. Hochrangige UN-Vertreter und Hilfsorganisationen forderten am Dienstag ein Ende der Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie ungehinderten Zugang für humanitäre Helferinnen und Helfer. Derweil stellte ein Sprecher der EU-Kommission klar, dass die humanitären Hilfseinsätze in den palästinensischen Gebieten weitergehen.

Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte, der Verlust von israelischen und palästinensischen Menschenleben und das unermessliche Leid, das beiden Bevölkerungen zugefügt werde, müssten enden. Er appellierte eindringlich an alle „einflussreichen Staaten“, zu einer friedlichen Lösung des Kriegs beizutragen.

Kämpfer der radikal-islamischen Hamas hatten am Wochenende Israel überfallen und Hunderte Menschen getötet, verletzt und viele weitere entführt. Israel reagierte mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen. Dabei wurden nach UN-Angaben auch zivile Einrichtungen getroffen.

Der Österreicher Türk sagte, er sei „zutiefst schockiert und entsetzt über die Vorwürfe von summarischen Hinrichtungen von Zivilisten und in einigen Fällen von entsetzlichen Massentötungen durch Mitglieder bewaffneter palästinensischer Gruppen“. Der UN-Hochkommissar verurteilte zugleich die vollständige Abriegelung des Gaza-Streifens durch Israel. „Die Verhängung von Belagerungen, die das Leben der Zivilbevölkerung gefährden, indem sie ihr überlebenswichtige Güter vorenthalten, ist nach dem humanitären Völkerrecht verboten“, sagte er.

Zuvor hatte bereits UN-Generalsekretär António Guterres alle Parteien aufgerufen, Hilfe für die Zivilistinnen und Zivilisten im Gaza-Streifen zu ermöglichen. Auch die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Mirjana Spoljaric, forderte freien Zugang für Helferinnen und Helfer.

Nach UN-Schätzungen sind derzeit rund 2,1 Millionen Menschen in den palästinensischen Gebieten - dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland - auf humanitäre Hilfe angewiesen. Laut dem UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe ist die Zahl der Vertriebenen in Gaza seit Beginn des Kriegs dramatisch gestiegen. Die Zahl der Binnenflüchtlinge habe mehr als 187.500 erreicht, hieß es. Die meisten seien in Schulen des Hilfswerks UNRWA untergekommen.

Das Ost-Jerusalemer Krankenhausnetzwerk schloss sich Forderungen nach einem humanitären Korridor in den Gaza-Streifen an. Bei aller Tragweite der Angriffe auf Israel dürfe die humanitäre Situation im Gaza-Streifen nicht außer Acht gelassen werden, sagte die Landesrepräsentantin des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Jerusalem, Sieglinde Weinbrenner, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Zudem fordere das Krankenhausnetzwerk, dass der Gaza-Streifen entgegen der Ankündigung der israelischen Regierung weiterhin mit Strom, Wasser und Lebensmitteln versorgt wird, sagte Weinbrenner. Der Lutherische Weltbund betreibt das Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Ost-Jerusalem, das Teil des Krankenhausnetzwerks ist. Das Netzwerk versorgt jährlich bis zu 50.000 Patienten aus den palästinensischen Gebieten in Ost-Jerusalem, im Westjordanland und dem Gazastreifen.

Nach dem Angriff war eine Debatte über Hilfszahlungen aus EU-Staaten für die palästinensischen Gebiete entbrannt. Die Bundesregierung setzte die Zahlung von Entwicklungsgeldern vorerst aus, die humanitäre Hilfe wird aber fortgesetzt. Die EU-Kommission stellte am Dienstag klar, dass Hilfsgelder für die palästinensischen Gebiete zwar überprüft, die Zahlungen aber nicht ausgesetzt werden. Der EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi hatte am Montag zunächst erklärt, dass die Zahlung von Entwicklungshilfe eingestellt würde.