Studie: Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt kommt zu langsam voran

Studie: Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt kommt zu langsam voran
Die Gleichstellung auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat sich verbessert, allerdings gibt es etwa bei Beschäftigung und Einkommen zum Teil noch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dies belegt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Düsseldorf (epd). In Deutschland ist die berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt laut einer Studie weiterhin meist schlechter als die von Männern. Bei der Gleichstellung habe es in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte gegeben, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Freitag in Düsseldorf mit. Gleichwohl seien zwischen Männern und Frauen bei Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeit, Bezahlung, Führungspositionen oder Absicherung im Alter vor allem in Westdeutschland noch recht deutliche Unterschiede festzustellen.

In Ostdeutschland sei der Abstand zwischen den Geschlechtern „spürbar kleiner als im Westen“. Allerdings bewegten sich die Einkommen dort auf insgesamt niedrigerem Niveau.

Das WSI hat die Informationen anlässlich des Tags der Deutschen Einheit (3. Oktober) erhoben. „Die Ergebnisse unserer Studie belegen weiterhin klar erkennbare Geschlechterungleichheiten zu Ungunsten von Frauen“, sagte die Wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch. Sie kritisierte das Tempo bei der Gleichstellung in Deutschland als „zu niedrig“.

In Ostdeutschland erhalten nach Kohlrauschs Darstellung zwölf Prozent der weiblichen Vollzeitbeschäftigten nur maximal 2.000 Euro brutto pro Monat. Der Geschlechterunterschied sei damit zwar kleiner als im Westen - allerdings deshalb, weil männliche Erwerbstätige im Osten häufiger als im Westen nur ein Niedrigeinkommen erzielten.

Auch bei der Erwerbsbeteiligung zeigen sich trotz Annäherungen noch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Ost- und Westdeutschland. So lag die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen 2021 mit 71,5 Prozent deutlich unter der von Männern (79,4 Prozent). Allerdings war die Differenz im Jahr 1991 noch fast dreimal so groß. Auch die Erwerbstätigenquote von Frauen in Ostdeutschland war mit 74 Prozent im Jahr 2021 höher als 1991, und der Abstand gegenüber ostdeutschen Männern (78,5 Prozent) von knapp zwölf auf gut vier Prozentpunkte gesunken.

Der Aufholprozess bei der Erwerbsbeteiligung beruht den Angaben zufolge allerdings vor allem auf mehr weiblicher Teilzeitarbeit. Die unterschiedlichen Teilzeitquoten führen auch zu erheblichen Differenzen bei der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Job: In den westlichen Bundesländern liegt diese für Frauen bei 30 Stunden, das sind 8,4 Stunden weniger als bei westdeutschen Männern. In den östlichen Bundesländern beträgt die durchschnittliche Arbeitszeit weiblicher Erwerbstätiger 33,9 Stunden. Das sind 4,6 Stunden weniger als bei den Männern.

Arbeiten beide Elternteile, ist vor allem in Westdeutschland die Erziehung der Kinder Frauensache. Leben Kinder in einer Familie, so arbeiten in nur 21,5 Prozent der Haushalte in Westdeutschland beide Partner. In Ostdeutschland ist die Vollzeittätigkeit beider Partner hingegen mit oder ohne Kinder eine häufige Konstellation: Sie findet sich in 63 Prozent der Haushalte ohne Kinder und in 48,7 Prozent der Haushalte mit Kindern.

Die Unterschiede bei Kinderbetreuung und Arbeitszeiten trugen dazu bei, dass die Lohnlücke in Westdeutschland weiterhin deutlich größer ist als in Ostdeutschland: In Westdeutschland lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 2022 um 18,9 Prozent unter dem von Männern, der Abstand war fast dreimal so groß wie in Ostdeutschland (6,9 Prozent).

Um die Gleichstellung zu fördern, spricht sich das Team der Studie unter anderem für den Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder und eine finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen aus. Auch stärkere Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen, seien sinnvoll, hieß es. Zudem fordern das WSI eine Abschaffung des Ehegattensplittings, da dies vor allem in Westdeutschland „ökonomische Fehlanreize“ setze.