Von Weihnachtsoratorium bis Happening

Von Weihnachtsoratorium bis Happening
Christian Thielemann wird Generalmusikdirektor der Staatsoper
Daniel Barenboim hat die Berliner Staatsoper Unter den Linden als Generalmusikdirektor 30 Jahre lang geprägt. Nun wird Christian Thielemann sein Nachfolger. Der Wagner- und Henze-Experte war bereits als 19-Jähriger Barenboims Assistent.

Berlin (epd). Der Dirigent Christian Thielemann wird neuer Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Kultursenator Joe Chialo (CDU), bestätigte am Mittwoch in Berlin, dass der 64-Jährige im kommenden Jahr die Nachfolge von Daniel Barenboim (80) antritt. Dieser hatte das Amt im Januar aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt. Chialo folgte damit als Vorsitzender der Berliner Opernstiftung dem Vorschlag der künftigen Intendantin des Hauses, Elisabeth Sobotka.

Thielemann sagte bei der Bekanntgabe seiner Ernennung, der Vertrag habe eine Laufzeit von fünf Jahren. Darin seien nach Ablauf von Verträgen mit anderen Häusern etwa 20 Abende pro Jahr vorgesehen. Sobotka kündigte unter Rücksicht auf dessen zuvor eingegangene Verpflichtungen für die kommende Saison lediglich eine Opernpremiere mit Thielemann an.

Thielemann bekannte sich zur Pflege des musikalischen Kanons. „Man kann nur etwas Neues machen, wenn man mit beiden Beinen in der Tradition steht“, sagte er. Das Orchester solle „alles spielen, vom Weihnachtsoratorium bis zum Happening“. Als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin gab er seinen Einstand mit einem Werk von Hans Werner Henze (1926-2012). Im Zusammenhang mit Kritik an Barenboims Führungsstil an der Staatsoper sagte Thielemann, er finde alles, was Menschen anbieten, interessant: „Erst im Miteinander erwächst eine Leistung.“

Barenboim würdigte Thielemann in einem Grußwort als einen der herausragenden Dirigenten der Zeit. Er sei „voll Vorfreude auf das, was kommt“.

Die künftige Intendantin will die Staatsoper nach eigenem Bekunden für unterschiedliche Meinungen öffnen. „Wir brauchen das Dazwischen“, sagte sie im Hinblick auf Polarisierung in gesellschaftlichen und politischen Debatten. Die Frage der Nachhaltigkeit werde eine der großen Herausforderungen für die Oper sein, sagte Sobotka, die ihr Amt mit der nächsten Saison antritt.

Thielemann ist seit 2012 Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Sein dortiger Vertrag läuft 2024 aus. Der in West-Berlin geborene Musiker gilt als Kenner der Werke von Richard Wagner (1813-1883).

Nach Stationen an der Deutschen Oper Berlin und Düsseldorf kam Thielemann 1988 als Generalmusikdirektor nach Nürnberg. 1997 ging er als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper nach Berlin, bevor er das gleiche Amt von 2004 bis 2011 bei den Münchner Philharmonikern innehatte. Neben seiner Dresdner Chefposition war er von 2013 bis 2022 Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele Salzburg.

Barenboim war seit 1992 Generalmusikdirektor der Staatsoper. Im Jahr 2000 wurde er von deren Orchester, der Staatskapelle Berlin, zum Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt.

Barenboim wurde 1942 in Buenos Aires (Argentinien) als Sohn russisch-jüdischer Migranten geboren und wuchs von 1952 an in Israel auf. Eines seiner Herzensprojekte ist das 1999 gegründete „West-Eastern Divan Orchestra“. Darin spielen junge Musiker aus Israel, den palästinensischen Autonomiegebieten und anderen arabischen Ländern. In Berlin regte er die Gründung der Barenboim-Said-Akademie für junge Musiker vor allem aus dem Nahen Osten und Nordafrika an.