Flugblatt-Affäre: Söder behält Aiwanger im Amt

Flugblatt-Affäre: Söder behält Aiwanger im Amt
Bayerns Ministerpräsident Söder hat seine Entscheidung gefällt: Stellvertreter Hubert Aiwanger darf trotz der Flugblatt-Affäre im Amt bleiben. SPD und Grüne üben scharfe Kritik.

München (epd). Trotz zahlreicher Vorwürfe in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hält der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fest. Da es keine Beweise gebe, dass Aiwanger das antisemitische Flugblatt vor 35 Jahren selbst verfasst habe, und seitdem nichts Vergleichbares vorgefallen sei, „wäre eine Entlassung aus dem Amt aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig“, sagte Söder am Sonntag in München. Zugleich stellte er klar, dass ihn die schriftlichen Antworten auf 25 Fragen, die er dem Wirtschaftsminister gestellt hatte, nicht gänzlich zufriedenstellen.

Die Entscheidung Söders stieß auf scharfe Kritik bei SPD und Grünen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, damit schade der bayerische Ministerpräsident dem Ansehen Deutschlands. „Herr Söder hat nicht aus Haltung und Verantwortung entschieden, sondern aus schlichtem Machtkalkül“, sagte sie dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ am Sonntag. „Der Umgang mit Antisemitismus darf aber keine taktische Frage sein.“

Aiwanger steht wegen eines antisemitischen Flugblatts in der Kritik, das in seiner Schulzeit in seiner Tasche gefunden wurde. Der stellvertretende Ministerpräsident bestreitet, der Verfasser zu sein. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärte Aiwangers Bruder Helmut, er habe das Flugblatt geschrieben. Auch weitere Vorwürfe wie das Zeigen des Hitlergrußes in der Schulzeit weist der bayerische Wirtschaftsminister zurück.

Söder sagte, seine Entscheidung sei das Ergebnis eines fairen und geordneten Verfahrens. Die Beantwortung der 25 Fragen sowie ein langes Gespräch seien Grundlage dafür. Zugleich erklärte Söder, in den mittlerweile veröffentlichten Antworten des bayerischen Wirtschaftsministers stehe viel Bekanntes und wenig Neues.

Zu Aiwangers Gunsten müsse er allerdings feststellen, dass dieser sich erneut von dem Flugblatt distanziert habe und es bereue, mit seinem Verhalten Gefühle verletzt zu haben. „Neu in der Beantwortung der Fragen ist, dass er den Vorfall in seiner Schulzeit als ein einschneidendes Erlebnis betrachtet und dass dies bei ihm wichtige gedankliche Prozesse angestoßen hat“, erklärte Söder.

Der bayerische Regierungschef kritisierte gleichwohl das Krisenmanagement Aiwangers in der vergangenen Woche. Dieser hätte angesichts des Vorwurfs des Antisemitismus früher, entschlossener und umfangreicher aufklären müssen. Ein „Schwamm drüber“ könne es daher nicht geben. „Daher mein ernst und gut gemeinter Rat: Auch wenn all die Sachen lang her sind, ist es wichtig, Reue und Demut zu zeigen“, sagte Söder.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, bezeichnete Söders Entscheidung als „einfach unglaublich“. Aiwanger habe sich nie klar distanziert, sagte Mihalic dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Dass dies nun ohne Konsequenzen bleibt, ist ein weiterer Stein, der aus der Brandmauer nach rechts fällt.“ Der Grünen Co-Chef Omid Nouripour sage dem „Spiegel“, Söder sei Taktik wichtiger als Haltung: „Das ist unanständig und schlecht für Bayern wie schlecht für Deutschland.“

Unterstützung für Aiwanger gab es von der Generalsekretärin des Landesverbands der Freien Wähler in Bayern, Susann Enders. Sie sagte der „Welt“, Aiwanger zu entlassen „wäre tatsächlich ein Skandal gewesen“. Sie bezeichnete die Affäre als „Kampagne der 'Süddeutschen Zeitung'“, die zuerst über die Vorwürfe berichtet hatte.