Nach Antisemitismus-Vorwürfen: Massive Kritik an Aiwanger

Nach Antisemitismus-Vorwürfen: Massive Kritik an Aiwanger
Politiker soll vor 35 Jahren ein Flugblatt verfasst haben
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) soll als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst haben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verlangt Aufklärung.

München (epd). Der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag) zufolge besteht der Verdacht, dass der Politiker als Schüler der 11. Klasse ein antisemitisches Flugblatt verfasst hat. Wie das Blatt berichtete, soll sich der Vorfall 1987/88 am Burkhart-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg ereignet haben. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte von Aiwanger Aufklärung.

Es stünden „schlimme Vorwürfe“ im Raum, die vollständig ausgeräumt werden müssten, sagte Söder er am Samstag am Rande eines Volksfestes in Augsburg. Die CSU bildet in Bayern eine Koalition mit den Freien Wählern. Grüne und SPD gingen noch einen Schritt weiter und forderten den Rücktritt Aiwangers.

Der Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der „Bild am Sonntag“ sollten die Vorwürfe zutreffen, sei Aiwanger aus seiner Sicht als stellvertretender Ministerpräsident Bayerns und für andere Ämter untragbar. „Derartige menschenverachtende Äußerungen über Opfer des Holocaust dürfen von niemandem - auch nicht Jugendlichen - geäußert werden. Dies muss Konsens aller demokratischen Parteien sein“, betonte Klein.

Der bayerische SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn bezeichnete das Flugblatt als „Rechtsextremismus der untersten Schublade“, der die Millionen Opfer des Holocausts und der Nazi-Diktatur auf das Übelste verunglimpfe: „Es ist unvorstellbar, dass ein Verfasser derartiger Zeilen im Bayerischen Landtag sitzt oder auch nur einen Tag länger ein öffentliches Amt in unserem Land bekleidet.“ Seine Fraktion werde deshalb deswegen unverzüglich eine Sondersitzung des Bayerischen Landtags beantragen.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze bezeichnete die Inhalte des Flugblatts als menschenverachtend: „Wer so denkt, schreibt und redet, zeigt seinen Antisemitismus klar und deutlich. Wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten, dann muss Markus Söder Hubert Aiwanger entlassen.“ Der bayerische FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Inhalt des Flugblatts schockiere ihn zutiefst. „Hubert Aiwanger muss sich persönlich erklären und die Vorwürfe ausräumen. Antisemitismus und rechtsextremes Gedankengut haben in Bayern keinen Platz.“

Auch außerhalb Bayerns regt sich Kritik. Der jüdische Verein WerteInitiative aus Berlin teilte mit, der Umgang mit einer solchen Tat, die möglicherweise vor 35 Jahren passiert sei, sei fast wichtiger als die Tat selbst. „Es ist derzeit nicht erkennbar, dass der wiederholt am rechtspopulistischen Rand agierende Aiwanger die Vorwürfe ernst nimmt“, sagte der Vereinsvorsitzende Elio Adler. So ein Verhalten sei nicht nur für einen Spitzenpolitiker, sondern für jeden anständigen Bürger inakzeptabel.

Das Flugblatt, um das es geht, ruft laut „Süddeutscher Zeitung“ zur Teilnahme an einem angeblichen Bundeswettbewerb auf: „Wer ist der größte Vaterlandsverräter?“ Teilnahmeberechtigt sei „jeder, der Deutscher ist und sich auf deutschem Boden aufhält“. Bewerber sollten sich „im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch“ melden. Als erster Preis wird ausgelobt: „Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“.

Aiwanger selbst ließ diese Darstellung von einem Sprecher entschieden zurückweisen; er habe „so etwas nicht produziert“ und werde „gegen diese Schmutzkampagne im Falle einer Veröffentlichung juristische Schritte inklusive Schadenersatzforderungen“ ergreifen.