Migrationsexperte: Abkommen mit Tunesien zeigt Rechtsruck in EU

Migrationsexperte: Abkommen mit Tunesien zeigt Rechtsruck in EU
17.07.2023
epd
epd-Gespräch: Silvia Vogt

Frankfurt a.M. (epd). Das Migrationsabkommen der EU mit Tunesien ist nach Ansicht des Politikforschers David Kipp Ausdruck für einen „klaren Rechtsruck auf europäischer Ebene“. Es zeige, dass es Italien unter Regierungschefin Giorgia Meloni mit seiner strikten Anti-Migrations-Politik gelungen sei, seinen Kurs zu verstetigen und die Unterstützung der Europäischen Union dafür zu gewinnen, sagte der Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik em Evangelischen Pressedienst (epd).

Zwar werde in der am Wochenende geschlossenen Vereinbarung der EU mit Tunesien betont, dass sie auf der Achtung der Menschenrechte basiere, sagte Kipp. „Doch das ist natürlich extra vage gehalten.“ Das Ziel Europas sei in der Vereinbarung klar ersichtlich: irreguläre Ankünfte aus Nordafrika nach Europa zu reduzieren, erklärt der Migrationsexperte.

Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Migranten, die die Überfahrt über das Mittelmeer wagen. In Italien wurde in diesem Jahr bereits die Ankunft von rund 75.000 Flüchtlingen und Migranten registriert, nach weniger als der Hälfte im Vorjahreszeitraum. Mehr als 44.000 von ihnen stachen von Tunesien aus in See. Der Vereinbarung mit der EU zufolge soll Tunesien nun stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, was Europa mit rund 100 Millionen Euro unterstützen will. In seinem Umgang mit Flüchtlingen und Migranten aus Ländern Afrikas südlich der Sahara steht Tunesien allerdings zunehmend in der Kritik. Menschenrechtler berichten etwa vom Aussetzen Geflüchteter in der Wüste.

Insgesamt stellt die EU im Rahmen der Vereinbarung Finanzhilfen im Umfang von etwa 900 Millionen Euro in Aussicht, die die wirtschaftliche Entwicklung stützen sollen. Wie wichtig der EU das Abkommen sei, habe sich in dem „großen politischen Kapital“ gezeigt, das sie zuletzt in Tunesien investiert habe, sagte Kipp mit Blick auf mehrere Besuche der EU-Spitze in den vergangenen Monaten. Das berge aber auch die Gefahr, dass Migrantinnen und Migranten zum Spielball werden könnten, mahnt er: „Auch in Tunesien sehe ich das Risiko, dass Geflüchtete instrumentalisiert werden können, um europäische Gelder zu erhalten.“