Wanderverband: Teuerung lässt Menschen heimische Regionen entdecken

Wanderverband: Teuerung lässt Menschen heimische Regionen entdecken
12.05.2023
epd
epd-Gespräch: Susanne Rochholz

Kassel (epd). Der Deutsche Wanderverband (DWV) setzt auf eine neue Wanderbegeisterung in Deutschland. Die Corona-Pandemie habe „einen richtig positiven Schub fürs Wandern ergeben“, sagte der Vizepräsident des Verbandes, Thomas Gemke, dem Evangelischen Pressedienst (epd) anlässlich des 140-jährigen Bestehens seiner Organisation am 14. Mai. Er hoffe, dass ein großer Teil dieser Menschen dauerhaft die Natur vor der Haustür wiederentdeckt habe.

„Man muss nicht erst nach Mallorca fliegen oder barfuß wandern auf Bali. Das kann man alles auch wunderbar in den heimischen Wäldern tun“, zeigte sich Gemke überzeugt. Der DWV-Vizechef fügte hinzu: „Ich glaube auch, dass viele Menschen aufgrund der gestiegenen Preise jetzt in heimischen Regionen Urlaub machen, mal irgendwo mit Freunden hinfahren und wandern gehen.“

Gemke räumte aber auch Probleme ein. Generell sei es schwieriger geworden, Menschen in Vereine zu bekommen, „weil das Ehrenamt nicht mehr so selbstverständlich ist wie früher“. Die Leute seien „eher mal bereit, ein Projekt zu übernehmen als sich so richtig im Verein zu engagieren“. Das Wandern habe außerdem ein Image-Problem.

„Wir Wandervereine müssen uns neuen Trends öffnen“, unterstrich er. Sein Verband tue dies bereits. In seine Heimatregion im Sauerland könnten Neumitglieder ihren Eintritt auf einem Bierdeckel erklären - „inklusive SEPA-Lastschriftmandat“.

Kritisch bewertete Gemke das 49-Euro-Ticket. Mit Blick auf die damit einhergehenden Kosten sagte der DWV-Vizepräsident: „Ich hätte es mir lieber gewünscht, die Politik hätte die drei Milliarden Euro dafür ausgegeben, die Bus- und Bahn-Verbindungen im ländlichen Raum zu verbessern und dort neue Linien zu schaffen oder Takte verdichtet.“ Stattdessen werde das Geld für eine Preissenkung der Tickets ausgegeben, die insbesondere den Großstädten zu Gute komme. In seiner Heimatregion fahre sonntags nur alle zwei Stunden ein Zug „und das ist nicht attraktiv“. Gut an dem bundesweit gültigen Nahverkehrsticket sei aber, dass der Tarifdschungel, „den kein Mensch mehr versteht, über Nacht abgeschafft wurde“.

Der Deutsche Wanderverband ist nach eigener Darstellung der Dachverband von rund 70 landesweiten und regionalen Gebirgs- und Wandervereinen mit insgesamt rund 3.000 Ortsgruppen und rund einer halben Million Mitglieder. Er veranstaltet jedes Jahr am 14. Mai den Tag des Wanderns. 20.000 Wegezeichner planten und pflegten bundesweit etwa 200.000 Kilometer Wanderwege, rund 8.000 Wanderführerinnen und -führer sind touristisch tätig. Der Verband versteht sich außerdem als Anwalt für Natur- und Klimaschutz.