Lemke und Habeck: Deutschland beendet das Zeitalter der Atomkraft

Lemke und Habeck: Deutschland beendet das Zeitalter der Atomkraft
Der Atomausstieg sorgt bis zum Schluss für kontroverse Diskussionen. Risiken bestünden auch nach der Abschaltung der AKW, mahnen Behörden. Die Regierung versucht zu beruhigen und sieht den Ausstieg als Einstieg in ein neues Energiezeitalter.

Berlin, Lingen (epd). In der bis zuletzt kontroversen Debatte um den Ausstieg aus der Atomkraft versuchen die Grünen in der Bundesregierung, die Gemüter zu beruhigen. Das Abschalten der letzten drei Atommeiler markiere den Aufbruch in ein neues Zeitalter der Energieerzeugung, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Donnerstag in Berlin.

Gemeinsam mit ihrem Partei- und Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Robert Habeck, warb sie für Zuversicht. Die Energieversorgung bleibe sicher, erklärte Habeck. Im Jahr 2030 solle 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien erzeugt werden.

Bis zu diesem Samstag (15. April) werden die verbliebenen drei Atomkraftwerke, Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen abgeschaltet. „Wir setzen mit dem Atomausstieg um, was Union und FDP 2011 beschlossen haben“, sagte Habeck. Mit dem Ziel der Klimaneutralität werde das gesamte Energiesystem bis 2045 auf erneuerbare Energien umgestellt.

Lemke, die auch für die nukleare Sicherheit zuständig ist, rief dazu auf, nun alle Kraft in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu stecken. Vor Deutschland lägen aber auch noch Jahrzehnte der Herausforderungen, bis die atomaren Hinterlassenschaften sicher beseitigt seien.

Die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, sagte, die Risiken der Atomkraft seien nicht gebannt. Sieben AKW-Standorte in den Nachbarstaaten seien weniger als hundert Kilometer von Deutschland entfernt. Das Reaktorunglück von Fukushima habe gezeigt, dass Atomkraft selbst für hochentwickelte Industriegesellschaften ein unkalkulierbares Risiko darstellen könne.

Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, betonte, für die nachfolgenden Generationen sei „das Kapitel Atomenergie“ noch nicht geschlossen. „Nach gut sechs Jahrzehnten, in denen die Atomenergie zur Stromerzeugung genutzt wurde, stehen noch mindestens weitere 60 Jahre bevor, die wir für den Rückbau und die langzeitsichere Lagerung der Hinterlassenschaften benötigen werden.“

Wie der Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Steffen Kanitz, im RBB-Inforadio sagte, müssen am Ende etwa 1.900 Castorbehälter mit Atommüll, die jeweils 100 Tonnen schwer sind, sicher eingelagert werden. Aufgabe der BGE ist es, dafür einen geeigneten Standort zu finden.

Unterdessen begrüßte der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister das Abschalten der Kraftwerke. Meister, der für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Mitglied der Endlagerkommission des Deutschen Bundestages war, sagte: „Ich bin dankbar, dass unser Land diesen konsequenten Weg des Ausstiegs, anders als viele andere Länder, bis heute gegangen ist.“ Der alleinigen Nutzung regenerativer Energien müsse die Zukunft gehören.

Die Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung begann in der Bundesrepublik 1960. Im Jahr 2001 beschloss die rot-grüne Bundesregierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder Restlaufzeiten für die deutschen Kraftwerke. Unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Fukushima machte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2011 ihren Beschluss für eine Verlängerung der Laufzeiten rückgängig und leitete den Atomausstieg bis Ende 2022 ein. Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach langem Streit in der Ampel-Koalition und angesichts der Gaskrise den Betrieb der letzten drei Kraftwerke um dreieinhalb Monate verlängert.