Seenotretter werfen Italien tödliche Verzögerungstaktik vor

Seenotretter werfen Italien tödliche Verzögerungstaktik vor

Frankfurt a.M., Rom (epd). Seenotretter machen die italienischen Behörden für den Tod von rund 30 Flüchtlingen im Mittelmeer am Sonntag verantwortlich. Das italienische Rettungskoordinationszentrum sei mehrfach über 47 Menschen in Seenot vor der libyschen Küste informiert worden, erklärte die Hilfsorganisation Alarmphone am Sonntagabend. Nach vielen Stunden seien jedoch nur Handelsschiffe am Notfallort eingetroffen, die auch nicht sofort eingegriffen hätten. Diese Verzögerung habe sich als tödlich erwiesen.

Nach dem letzten Kontakt zwischen Alarmphone und den Flüchtenden sei das Boot gekentert. Nur 17 Menschen hätten überlebt, sie seien von einem Handelsschiff aufgenommen worden.

Die italienische Küstenwache erklärte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ansa vom Montag, der Notfallort habe außerhalb des Zuständigkeitsbereichs Italiens in den Such- und Rettungszonen im Mittelmeer gelegen. Die libyschen Behörden hätten die italienische Koordinierungsstelle für Seenotrettung um Unterstützung gebeten, die eine Notmeldung an alle Schiffe auf der Durchfahrt gesandt habe.

Italien habe bewusst auf Zeit gespielt, warfen hingegen die Helfer von Alarmphone den Behörden vor. Die Verzögerung sei systematisch gewesen, Italien habe darauf gesetzt, dass in der Zwischenzeit die libysche Küstenwache eingreife und die Flüchtlinge und Migranten zurück nach Nordafrika bringe.

Eine staatlich organisierte Seenotrettung gibt es auf dem Mittelmeer nicht, lediglich die Schiffe privater Hilfsorganisationen halten Ausschau nach in Not geratenen Flüchtlingen und Migranten. Bei der gefährlichen Flucht über das Mittelmeer kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im vergangenen Jahr mindestens 2.406 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder wurden als vermisst registriert. In diesem Jahr sind es bereits rund 350. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.