Menschenrechtsgerichtshof bekräftigt Schutz von Whistleblowern

Menschenrechtsgerichtshof bekräftigt Schutz von Whistleblowern

Straßburg (epd). Bei einem hohen öffentlichen Interesse über Missstände in einem Unternehmen müssen Whistleblower diese straffrei der Öffentlichkeit offenlegen können. Wird dennoch die Weitergabe vertraulicher Firmeninterna strafrechtlich verfolgt, ist eine Verletzung der Meinungsfreiheit möglich, urteilte am Dienstag die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. (AZ: 21884/18)

Hintergrund waren die in den Medien bezeichneten sogenannten Luxemburg-Leaks. Diese beinhalteten die Veröffentlichung aggressiver Steuervermeidungsstrategien multinationaler Konzerne. Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirma PriceWaterhouseCoopers (PWC) hatte hierzu mit den luxemburgischen Behörden Steuerdeals ausgehandelt. Aufgedeckt hatten dies der freie Wirtschaftsprüfer Antoine Deltour und ein Journalist.

Während beide straffrei blieben, wurde der Kläger und frühere PWC-Mitarbeiter Raphael Halet für die Weitergabe von unter anderem 16 Dokumenten an die Medien zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro sowie symbolisch zu Zahlung eines Euros an PWC für den erlittenen Imageschaden verurteilt.

Der EGMR urteilte am 11. Mai 2021, dass die Geldstrafe rechtens sei. Zwar sei Halet ebenfalls als Whistleblower tätig geworden. Neue Erkenntnisse habe er aber nicht mitgeteilt, sodass kein öffentliches Interesse mehr bestanden habe.

Die Große Kammer des EGMR sah jedoch das Recht Halets auf freie Meinungsäußerung verletzt. In einem Arbeitsverhältnis müssten Beschäftigte zwar Loyalität zum Arbeitgeber wahren und gegebenenfalls eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht einhalten, wie etwa das Steuergeheimnis.

Der Schutz von Whistleblowern, die Missstände in Unternehmen aufdecken, müsse aber gewährleistet sein. Voraussetzung hierfür sei, dass die Informationen von öffentlichem Interesse sind und der Whistleblower „in gutem Glauben“ und nicht aus „Gewinnsucht oder zum Schaden des Arbeitgebers“ gehandelt hat. Dies sei hier der Fall gewesen. Die von Halet weitergegebenen Informationen seien nicht nur „alarmierend und skandalös“ gewesen, sondern hätten auch neue Erkenntnisse über aggressive Steuervermeidungsstrategien geliefert. Hieran habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden, sodass die Geldstrafe nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Luxemburg muss Halet für die Verletzung seines Rechts auf Meinungsfreiheit 15.000 Euro Schmerzensgeld sowie weitere 40.000 Euro für angefallene Verfahrenskosten zahlen.