Baerbock plant Aussetzen humanitärer Hilfe in Afghanistan

Baerbock plant Aussetzen humanitärer Hilfe in Afghanistan
Die Taliban haben es afghanischen Frauen verboten, bei Hilfsorganisationen zu arbeiten. Nun will Außenministerin Baerbock Konsequenzen ziehen - und humanitäre Hilfsleistungen für Afghanistan stoppen.
31.01.2023
epd
Natalia Matter und Mey Dudin, epd

Berlin (epd). Als Reaktion auf das von den radikalislamischen Taliban verhängte Beschäftigungsverbot für afghanische Frauen bei Hilfsorganisationen plant Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), deutsche humanitäre Hilfsleistungen in Afghanistan auszusetzen. Wie der Evangelische Pressedienst (epd) am Dienstag aus dem Bundestag erfuhr, geht es konkret um den Bereich der Ernährungssicherung.

In dem Land am Hindukusch herrscht aktuell eine beispiellose humanitäre Krise. Mehr als 28 Millionen der etwa 43 Millionen Einwohner sind auf Unterstützung angewiesen, um überleben zu können. Sechs Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen an der Schwelle zu einer Hungersnot.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich warnte daher dringend vor einem solchen Schritt. „Deutsche Hilfsleistungen zu stoppen, würde den Frauen und Kindern vor Ort massiv schaden“, sagte sie dem epd. „Afghanische Frauen und ihre Familien dürfen nicht doppelt von dem Unrecht der Taliban bestraft werden.“

Die Taliban hatten das Beschäftigungsverbot für Frauen während der Weihnachtstage erlassen. Die medizinische Hilfe ist von den Beschränkungen ausgenommen. International sorgte das Verbot für scharfe Kritik. Viele Organisationen stellten ihre Arbeit vorerst ein.

Heinrich bezeichnete das Beschäftigungsverbot als „Ausdruck einer zynischen Missachtung der Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung durch die Taliban“. Sie fügte hinzu: „Auch wenn wir uns eine andere politische Realität in Afghanistan wünschen, geht es prioritär darum, die Menschen in einer der schlimmsten humanitären Krisen auf der Welt nicht alleine zu lassen.“

Gleichzeitig forderte die SPD-Abgeordnete, dass diplomatischer Druck auf die Taliban ausgeübt wird, um sie „kurzfristig zu Ausnahmeregelungen und mittelfristig zur Rücknahme ihrer frauenfeindlichen Entscheidungen zu bewegen“. Die Beschäftigungs- und Ausbildungsverbote von Frauen müssten mit allen Mitteln aufgehoben werden. „Maßgabe jeder feministischen Außenpolitik muss sein, die Frauen, in diesem Fall in Afghanistan, unter keinen Umständen im Stich zu lassen“, betonte Heinrich.

Die Linken-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, sagte auf epd-Anfrage: „Außenministerin Baerbock setzt hier ganz bewusst Hunger als Waffe gegen Afghanistan ein. Es ist ein politischer sowie moralischer Offenbarungseid der deutschen Außenpolitik, vermeintlich im Namen der Frauenrechte.“

Die Sprecherin der Welthungerhilfe, Simone Pott, bezeichnete die Lage in Afghanistan als „sehr volatil“. Sie hoffe, dass die Hilfe nicht kategorisch eingestellt werde. „Man sollte den Gesprächen im Hintergrund eine Chance geben“, sagte sie dem epd mit Blick auf die internationalen Versuche, auf die Taliban einzuwirken.

Vor wenigen Tagen hatte der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärt, dass er in Bezug auf die Arbeit afghanischer Frauen in Hilfsorganisationen „ermutigende Antworten“ erhalten habe. Die Taliban hätten ihm gesagt, sie seien dabei, neue Richtlinien zu erarbeiten.