Keine Aktivisten mehr in Lützerath

Keine Aktivisten mehr in Lützerath
Die Blockade von Lützerath ist zu Ende. Zwei bis zuletzt ausharrende Aktivisten haben einen Tunnel freiwillig und wohlbehalten verlassen. Doch die Kontroverse um Polizeigewalt beim Protest gegen den Braunkohletagebau geht weiter.

Lützerath (epd). Der Weiler Lützerath, der für den Braunkohleabbau weichen soll, ist seit Montag vollständig geräumt. Am Mittag verließen die beiden letzten Klimaschutzaktivisten, die sich Pinky und Brain nennen, augenscheinlich wohlbehalten und freiwillig die selbst gegrabene unterirdische Konstruktion, in der sie fast eine Woche ausgeharrt hatten, um gegen eine Abbaggerung der Ortschaft und der darunter liegenden Braunkohle zu protestieren. Die Werksfeuerwehr des Energiekonzerns RWE war zuletzt für die Verhandlungen mit den Männern zuständig.

Am Sonntag hatte die Polizei erklärt, dass die Räumung des Weilers abgeschlossen sei. Rund 300 Menschen waren seit Mittwoch aus den verlassenen Gebäuden und aus Baumhäusern geholt worden. Die Mehrheit von ihnen verließ Lützerath freiwillig.

Am Samstag hatten Zehntausende Menschen bei Lützerath und der benachbarten Ortschaft Keyenberg gegen die Abbaggerung der Ortschaft und die Kohleverstromung protestiert. Die Polizei sprach von 15.000, die Veranstalter - unter ihnen BUND, Campact, „Alle Dörfer bleiben“, „Ende Gelände“ und „Fridays for Future Deutschland“ - von 35.000 Teilnehmern. Im Verlauf der Kundgebung kam es an nicht genehmigten Kundgebungsorten wie an der Abbruchkante des Tagebaus und am Sicherheitszaun rund um Lützerath zu teils gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Polizei und Demonstranten. Beide Seite warfen sich eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt vor.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am Montag in Berlin, die Polizei habe in Lützerath geltendes Recht durchgesetzt. Das sei aber nicht von allen Versammlungsteilnehmern akzeptiert worden, was zu den Zusammenstößen geführt habe. Der Einsatz müsse nun aufgearbeitet werden. Dabei werde auch überprüft, ob die polizeilichen Maßnahmen verhältnismäßig gewesen seien.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete das Handeln einiger Aktivisten als verantwortungslos. Für Gewalt gegen die Polizei gebe es keinerlei Rechtfertigung. Zu den Vorwürfen der Polizeigewalt sagte Faeser, es sei richtig, dass das für den Polizeieinsatz verantwortliche Land Nordrhein-Westfalen die einzelnen Vorwürfe prüfen lasse. „Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, müssen diese Konsequenzen haben.“

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigte den Polizeieinsatz und gab mehreren Demonstranten die Schuld an den gewalttätigen Zwischenfällen. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen habe den abgesprochenen Demonstrationsweg verlassen und die Konfrontation mit den Beamten gesucht, sagte der CDU-Politiker der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag). In der ARD-Sendung „Anne Will“ sagte Reul, die Vorwürfe einer Demo-Sanitäterin, die Polizei habe systematisch auf den Kopf geschlagen und es seien mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt worden, würden genau geprüft.

Aktivisten und Veranstalter hatten auf einer Pressekonferenz am Sonntag Vorwürfe gegen Einsatzkräfte erhoben. Sie betonten aber, die Verantwortung für die Konfrontation am Tagebau liege letztlich in der Politik, vor allem bei der schwarz-grünen Landesregierung, die sich für eine fortgesetzte Braunkohleförderung bis 2030 entschieden habe, obwohl die Kohle unter Lützerath für eine gesicherte Energieversorgung nicht gebraucht werde. Sie kündigten weitere Proteste an.

Iza Hofmann vom Demo-Sanitäter-Team sprach mit Blick auf die Kundgebung von einer hohen Zahl verletzter Demonstranten im „zwei- bis dreistelligen Bereich“. Mehrere Menschen seien lebensgefährlich verletzt worden. Am Montag bezifferte Bente Opitz von „Lützerath lebt“ die Zahl verletzter Demonstranten auf mindestens 90. Ein genauer Überblick sei noch nicht möglich, sagte sie dem WDR.

Die Polizei Aachen widersprach den Vorwürfen und teilte am Sonntagabend mit, dass niemand lebensgefährlich verletzt worden sei. Neun Aktivisten seien mittels Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht worden. Zuvor hatte die Polizei berichtet, dass Pfefferspray, „Einsatzmehrzweckstock“ und Wasserwerfer eingesetzt worden waren, um Menschen von einem Eindringen in den Tagebau abzuhalten.