Bundestag will stärkere Aufarbeitung des Völkermords an den Jesiden

Bundestag will stärkere Aufarbeitung des Völkermords an den Jesiden

Berlin (epd). Mehr als acht Jahre nach den Gräueltaten der islamistischen Terrorgruppe IS an den Jesiden im Irak will der Bundestag die Verbrechen als Völkermord anerkennen und sich für eine stärkere Aufarbeitung einsetzen. Es müsse zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Deutschlands werden, Aufmerksamkeit für den Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden im öffentlichen Bewusstsein zu schaffen, heißt es in einem Antragsentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie der von CDU und CSU, über den der Bundestag am Donnerstag beraten will. Das Papier, über das am Freitag zuerst das ARD-Hauptstadtstudio berichtet hatte, liegt dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor.

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung unter anderem aufgefordert werden, sich stärker für die juristische Aufarbeitung und Verfolgung von Tätern im eigenen Land und international einzusetzen. Das Papier spricht sich zudem für die Förderung eines Archiv- und Dokumentationszentrums aus, das sich den Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden, Christinnen und Christen sowie anderen religiösen Minderheiten in der Region widmet und ihnen gleichzeitig ermöglichen soll, damit einen Erinnerungsort zu schaffen. In Deutschland lebt den Angaben zufolge die größte jesidische Diaspora-Gruppe.

„Das verpflichtet uns, als Bundestagsabgeordnete aktiv zu werden“, sagte der Abgeordnete Max Lucks (Grüne). „Erlebte Traumata, die stetige Angst nicht in Sicherheit zu leben, das Gefühl, dass die Welt nicht auf die humanitäre Lage der Jesiden schaut - mit unserer Initiative möchten wir genau hierunter ein Schlussstrich ziehen“, sagte er.

In dem Antrag wird auch die besonders dramatische Lage von Kindern herausgestellt, die bei Vergewaltigungen jesidischer Frauen durch IS-Kämpfer gezeugt wurden. Wegen der Regel im Jesidentum, dass beide Eltern der Religion angehören müssen, werden sie den Angaben zufolge nicht in die jesidische Gemeinschaft aufgenommen. Das Verlangen der Mutter, das eigene Kind behalten zu wollen, verdiene vor diesem Hintergrund „besonderen Respekt“, heißt es in dem Antrag. Man wolle die jesidische Gemeinschaft „in ihrem Bestreben nach Integration dieser Kinder“ unterstützen.

Die Befassung des Parlaments mit den Gräueltaten an den Jesiden geht auf eine Petition zurück, in der die Anerkennung der Verbrechen als Völkermord gefordert wurde. Am 3. August 2014 hatte der IS Dörfer der Jesiden im Irak überfallen, Tausende Männer getötet und Frauen und Kinder verschleppt, unter anderem nach Syrien. Die Frauen und Mädchen wurden systematisch vergewaltigt. Mehr als 2.600 Jesidinnen befinden sich Schätzungen zufolge noch immer in der Gewalt von Islamisten in der Region.